Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
Vom Netzwerk:
stand, schlug ein Bein über das andere und setzte die Miene eines Arztes auf, der seinen Patienten ausführlich über eine bevorstehende Operation informieren will. «Hör mir auf damit. Ich habe mich ja nach Italien verliebt. Ein toller Typ, aber der hat mich so was von ausgenutzt, na, ich sage dir. Ich bin Hals über Kopf weg von ihm und nun wieder hier in Hamburg. Und ...», sie guckte Isabelle fröhlich an, «... suche einen Job.»
    «Oh!»
    «Ja: oh. Du schreibst hier in der Zeitung, du willst eine Assistentin und eine Sekretärin haben, was soll denn das? Ich mache dir beide Jobs. Zum Preis für einen. Gewichtsmäßig kommt's ja hin, oder?»
    Isabelle war überrascht und froh zugleich. Patrizia kam ihr wie ein Geschenk des Himmels vor. Mit ihrer Energie, ihrer Kraft und ihrem Witz war sie die ideale Ergänzung für sie und genau das, was sie jetzt brauchte. Sie willigte ein. Schon am nächsten Tag fing Patrizia an. Sie krempelte die Ärmel hoch und packte mit an, wo es nur ging. In Windeseile waren alle Räume auf Hochglanz und die Schneiderinnen in Schwung gebracht. Es wurden Stoffe für die Musterteile bei Carl bestellt, Büromaterial geordert und Briefpapier gedruckt, mit Banken und Lieferanten geredet, Zeitpläne aufgestellt, Termine gemacht, Nacht für Nacht beugten sie sich über Skizzen, die sie überall im Büro ausgebreitet hatten, berieten sich, ergänzten, zerknüllten, entwarfen neu. Sie saßen auf dem Boden, abgekaute Bleistifte in der Hand, brennende Zigaretten im Mund, ein Glas Wein und einen Teller mit einem Rest Salat oder Sandwich neben sich, und fühlten sich noch nachts um zwölf frisch und glücklich. Es war die Zeit des Aufbruchs. Sie lernten die inspirierende Kraft von Musik kennen und begriffen auf einmal, warum Puppe Mandel immer Mozart gehört hatte, wenn sie kreativ arbeitete. Sie schafften sich eine Stereoanlage an und dudelten unablässig ihre Lieblingshits. Diana Ross mit Upside down, die Bee Gees mit Staying alive, die Gruppe Chic mit Le freak. Sie sangen lauthals mit, lachten viel und waren glücklich, wenn ihnen etwas gelungen schien. Manchmal, wenn Isabelle müde wurde, nahm sie eine von den Tabletten, die ihr damals Christin Laroche empfohlen hatte und die sie sich von ihrem Hausarzt verschreiben ließ. Auf diese Weise entwarf Isabelle in wenigen Wochen Kleider, Röcke, Hosen, Jacken, Anzüge und Mäntel – eine ganze Modekollektion.
    Die Zeit drängte, denn es war bereits Juli, und spätestens im Oktober mußte die Kollektion für den kommenden Sommer fertig sein. Im Hause wurden nach diesen Entwürfen eilig Erstschnitte angefertigt, danach die Teile genäht, geprüft, verändert, und schließlich entstanden die Musterteile. Mit ihnen im Koffer fuhren Isabelle und Patrizia im Zug zweiter Klasse eine nicht enden wollende Strecke durch Deutschland und die Schweiz bis nach Norditalien.
    In der piemontesischen Stadt Biella und den Tälern der Umgebung hatten seit Jahrzehnten unzählige Tuchweber, Stickereien und Konfektionsfabriken ihren Sitz. Patrizia kannte dort die Familie Marongiu, die in ihrem Handwerksbetrieb Auftragsarbeiten überwiegend deutscher Modefirmen ausführte. Das Ehepaar Marongiu hatte zwei Söhne, die im Unternehmen mitarbeiteten und von denen der eine – er hieß Fernando, war Ende Zwanzig und sah genauso aus, wie sich Isabelle einen latin lover vorstellte – sie von der ersten Minute an wild umschwärmte. Er war schlank und perfekt gekleidet, hatte einen olivdunklen Teint, schwarze Haare und Augen, die förmlich zu glühen begannen, wenn er Isabelle sah. Sie und Patrizia teilten sich ein stickiges Zimmer in einem Hotel, das mitten in der Stadt an einer Kreuzung lag und sehr einfach war. Nachmittags saßen sie lachend auf dem Bett, der stechenden Sonne wegen bei heruntergelassenen Jalousien, und stellten sich vor, daß Fernando jede Sekunde unten vor dem Haus aufkreuzen und gegen den Autolärm ansingen würde: O sole mio.
    Am Abend gingen sie mit der Familie in eine Trattoria, aßen Risotto mit frischen Steinpilzen, Wildschweinragout und Panna cotta mit Sauerkirschen, tranken Unmengen von Wein und amüsierten sich wundervoll. Patrizia sprach perfekt italienisch, wie Isabelle neidisch bemerkte. Sie nahm sich vor, Unterricht zu nehmen, sobald sie wieder in Hamburg waren. Zum Glück beherrschte Fernando ein wenig die deutsche Sprache, den Rest besorgten englische Brocken, Hände, Füße und Sympathie. Am Ende des Abends war man sich handelseinig. Einen

Weitere Kostenlose Bücher