Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
Vom Netzwerk:
Isabelle, als wäre ihr das alles nach wie vor bestens vertraut.
    «Jaja. Sie ist jetzt stellvertretende Chefredakteurin geworden. Christin war ihr Name. Sie kannten sie ja wohl auch, nicht?»
    Isabelle nickte. «Christin. Ja. Christin Laroche. Wir waren auch befreundet.»
    Schon wieder klingelte das Telefon. Patrizia kam mit einem Becher Kaffee und einem Päckchen Kopfschmerztabletten angelaufen. «Gehe schon!» rief sie, stellte die Sachen ihrer Chefin vor die Nase und nahm den Hörer ab. Während sie mit dem Anrufer sprach dem Einkäufer eines Münchner Kaufhauses, der Belle Corthens Modenschau gesehen hatte und nun gern einen Termin machen wollte, um Kollektionsteile bestellen zu können –, nahm Isabelle ihre Aspirin, trank in großen Schlucken den Kaffee und faltete die Zeitungen wieder zusammen.
    Patrizia legte den Hörer auf, schrieb etwas auf einen Notizblock und sah Isabelle erwartungsvoll an. «Und nun?»
    «Und nun rufst du einen Lehrling, läßt ihn die Artikel ausschneiden und in einem Ordner ablegen, und wir – wir stürzen uns in die Arbeit.»
    Wir stürzen uns in die Arbeit – das war Isabelles Motto für die nun folgenden Tage, Wochen und Monate. Tatsächlich schlug die junge, neue Modedesignerin ein wie eine Bombe. Ihre Kollektion lief großartig. In der Boutique, die zwei Tage nach der Modenschau mit einem Umtrunk eröffnet wurde, herrschte von nun an ein unglaubliches Gewusel. Die Kasse klingelte buchstäblich: Isabelle hatte das schöne, mit silberglänzenden Metallranken geschmückte Gerät aus den vierziger Jahren auf einem Trödelmarkt in den Gewölben der Markthalle am Hauptbahnhof entdeckt und gekauft, es erinnerte sie an den Eckladen von Bäcker Voss in Luisendorf, wo genau so eine Kasse gestanden hatte. Die Summen wurden in großen schwarzen Ziffern hinter einer Glasleiste angezeigt, wenn man eine Kurbel drehte, machte es pling und die Lade öffnete sich. Dies war das einzige Stück Nostalgie in dem sonst kühl und klar gestalteten Geschäft. Es gehörte zu Isabelles schönsten Vergnügungen, sich abends von der ersten Verkäuferin, die sie sogleich zur Geschäftsführerin des Ladens machte, die Umsätze geben zu lassen.
    Auch die Einkäufer der Modeläden, die bei der Show gewesen waren, orderten enorme Stückzahlen. Isabelle war baff. Jeden Tag gingen schriftlich oder telefonisch Bestellungen ein.
    «Auf der Richter-Skala für Erfolg ist nach oben eben keine Grenze gesetzt!» erklärte Patrizia lapidar und gab die Aufträge nach Biella weiter. Die Familie Marongiu kam kaum nach mit der Produktion, und ein-, zweimal sah es so aus, als müßte eine weitere Firma mit der Fertigung der Teile beauftragt werden. Sehr schnell stellte sich heraus, daß Isabelle bei den Vorbereitungen ihrer Selbständigkeit viel zu naiv gewesen war und daß selbst so erfahrene Kaufleute wie Carl oder Peter nicht im entferntesten geahnt hatten, was sie da in Gang setzten.
    Patrizia, die zum Herz der Firma geworden war, zum Zentrum des Trubels, zu einer treuen und unentbehrlichen Kollegin und Freundin, schaffte ihre Arbeit nicht mehr. Es wurde eine Sekretärin eingestellt. Danach engagierte Isabelle zwei Vertreter – einen für Nord- und einen für Süddeutschland –, die mit Musterteilen in ihren Koffern von Boutique zu Boutique zogen, die Belle-Corthen-Mode vorstellten und Aufträge «schrieben», wie es im Jargon hieß. Schon mit ihrer ersten Kollektion machte Isabelle einen Umsatz von mehr als zwei Millionen Mark. Auf diese Weise konnte sie flott ihre Schulden abbauen, und es gelang ihr bereits nach eineinhalb Jahren, Puppe Mandel die Villa abzukaufen. Nun war es ihr Firmensitz, ihr erster eigener Besitz.
    Isabelle war überglücklich, und auch Carl zeigte sich von der Entwicklung beeindruckt. Er ließ seinen Schützling niemals aus den Augen, rief fast jeden Tag bei ihr an, um sich den «Tagesrapport» abzuholen, gab ihr Ratschläge, traf mit ihr gemeinsam Entscheidungen, hörte sich ihre beruflichen Sorgen an und ermunterte sie, wann immer es notwendig war.
    Nach jener Nacht, in der Carl ihr seine Liebe gestanden hatte, blieb bei beiden anfangs ein dumpfes, lähmendes Gefühl zurück. Seine Ehrlichkeit hatte zunächst das Gegenteil von dem bewirkt, was er hatte erreichen wollen. Isabelle fühlte sich belastet. Eine Affäre mit ihm kam für sie nicht in Frage. Kurz entschlossen lud sie ihn eines Tages zum Mittagessen in das Restaurant des Hotels Vier Jahreszeiten ein. Bei Wildpastete, Seezunge und

Weitere Kostenlose Bücher