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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Eisparfait brachte sie das Gespräch geschickt auf das Thema Freundschaft, und schließlich kamen sie dazu, auch über sich zu sprechen.
    «Carl, ich muß mit dir über uns reden.»
    «Ich weiß, ich weiß, was du sagen willst.»
    «Du hast von Ehrlichkeit geredet, und diesen Grundsatz schleppe ich seit meinen Jugendjahren mit mir rum: ehrlich reden ... ich weiß nicht, was richtig und falsch ist, aber ich habe gemerkt, seitdem du mir gesagt hast, daß du mich liebst ...»
    Carl war ihre Direktheit peinlich. Er sah sich in dem eleganten Restaurant um, aber niemand hörte ihnen zu.
    «... jetzt hör mir zu, verdammt: Du bist ganz verändert seitdem, ich fühle mich ganz anders, wir begegnen uns wie zwei Blinde, wir tapsen durch das Dunkel unserer Gefühle ... Keiner weiß, was der andere denkt. Wir haben doch früher nicht solche taktischen Überlegungen anstellen müssen: Was denkt sie jetzt, was fühlt er jetzt! Ich hasse das. Ich fühle mich unwohl in deiner Gegenwart, seitdem ...»
    «Was?» Carl war entsetzt.
    «Nicht unwohl, nein. Aber eben nicht mehr wohl!»
    «Aber ich verlange doch in dieser Hinsicht nichts von dir. Ich erwarte nichts. Das habe ich dir schon gesagt, Belle.»
    «Ach, Quatsch. Wenn du richtig in dich reinhörst: Am liebsten hättest du, daß wir ein Paar sind, am liebsten würdest du hier jetzt ...», sie zeigte mit dem Löffel, an dem eine Spur von Eiscreme klebte, nach oben, «ein Tageszimmer mieten ...»
    «Isabelle! Sei nicht so gewöhnlich. Das paßt nicht zu dir.»
    «Entschuldige.» Sie aß weiter. «Ich will dich aus der Reserve locken.»
    «Wozu soll das gut sein?»
    «Damit ich etwas erwidern kann. Damit ich dir antworten kann. Damit ich dir sagen kann: Carl, ich mag dich, ich schätze dich, ich brauche dich. Aber alles andere schlag dir aus dem Kopf. Aus einem ganz einfachen Grund: Ich liebe dich nicht.»
    Trotz dieser klaren Worte war Carl ihr Freund geblieben. Mehr noch: Das Gespräch hatte tatsächlich, wie Isabelle es sich wünschte, dazu beigetragen, die Atmosphäre zwischen ihnen zu reinigen. Ihre Freundschaft war reifer geworden. Isabelle hatte sich emanzipiert. Sie begegneten sich fast wieder wie früher – herzlich, unbeschwert und gleichberechtigt.
    Mittlerweile hatte Carl sich aus seinem Unternehmen vollständig zurückgezogen. An entscheidenden Sitzungen nahm er weiterhin teil, doch das Tagesgeschäft überließ er Peter Ansaldi. Er frönte seinen Leidenschaften, er reiste viel, war oft bei Puppe Mandel auf Sylt, und er widmete sich seinen Sammlungen – kurz, nachdem er aufbegehrt und sich ein letztes Mal gewehrt hatte, ergab er sich nun seinem Schicksal und ließ zu, was man den Lauf der Zeit nennt: Carl wurde alt.
    Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg – auch bei Menschen, das bekam Isabelle nun fast täglich zu spüren. Auf einmal meldeten sich alte Freunde, längst vergessene Bekannte, Menschen aus der Schul-und Lehrzeit, abgelegte Verehrer, Kolleginnen. Alle wollten sie sehen, mit ihr ausgehen, mit ihr gesehen werden. Sie wollten billig an Klamotten kommen, sie wollten Jobs haben, Vorteile, Geld, ein Stück vom Glanz. Zum Glück hatte Carl sie schon vor langem gewarnt: «Vampire, Blutsauger, Hofschranzen werden über dich herfallen und versuchen, dich auszusaugen. Schotte dich ab, zieh dich zurück, konzentrier dich auf dich und auf das Wesentliche. Sonst verzettelst du dich und gehst unter.»
    Sie hielt sich daran. Der einzige, den sie manchmal gern an ihrer Seite gehabt hätte, war nicht da: Jon. Sie vermißte seine Gelassenheit, seine Herzlichkeit, seine Intelligenz. Ihr fehlte der vertraute Umgang, das Nicht-viele-Worte-machen-Müssen, die Wirklichkeitsnähe, die Welt, aus der sie kam und in der er nach wie vor lebte. Jon jedoch war selbst viel zu beschäftigt mit seinem Medizinstudium, das sich langsam dem Ende näherte, mit seiner Frau und seinem Sohn, der größer und größer wurde, mit seinem eigenen Leben, als daß er Isabelle hätte zur Seite stehen können.
    Immerhin meldete er sich ab und zu, rief sie spontan an, fragte, wie es ihr gehe und ob er was für sie tun könne. Meistens war sie dann in Eile, kurz angebunden, und wimmelte ihn ab. Hinterher tat es ihr leid. Es war wie verhext. Wann immer sie in den letzten Jahren miteinander gesprochen, sich gesehen hatten, stand etwas zwischen ihnen, paßte es dem einen, war der andere in der falschen Stimmung. Sie begegneten sich wie zwei Satelliten, die auf unterschiedlichen Bahnen die Erde umkreisten,

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