Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
nach dem Abitur erfolgreich eine Ausbildung zur Damenschneiderin im Modesalon Mandel, ehe sie nach Paris ging, wo sie Sprachen, Kunstgeschichte und Mode studierte.»
«Patrizia! Das glaubt uns kein Mensch.»
«Immer haarscharf an der Wahrheit entlang, aber sie niemals wirklich ausplaudern: du mußt immer ein Geheimnis für die Leute bleiben, dann bist du für sie interessant. Du glaubst gar nicht, wie man sich selbst durch solche kleinen Lügen, sage ich mal, in ein anderes, schöneres Licht setzen kann, was einem die Leute alles glauben, was für Schoten sie einem abnehmen. Ich habe in Italien gelebt. Ich kenne mich da aus!»
Isabelle nahm sich eine Zigarette. «Aber was soll das? Das ist Quatsch. Das habe ich doch bisher nicht nötig gehabt, warum soll ich das in Zukunft brauchen? Solche Stories?» Sie zündete die Gauloise an.
Ihre Mitarbeiterin nahm ihr die brennende Zigarette aus der Hand und drückte sie im Aschenbecher aus. «Und das, liebe Freundin, lassen wir in Zukunft auch!»
«Patrizia!»
«Hör ruhig auf mich, damit bist du doch immer gut gefahren, oder? Das gehört alles zum selben Thema: Eine Frau, die öffentlich raucht, ist unsympathisch ...»
«Das hab ich ja noch nie gehört!»
«Es paßt nicht zu dir. Du bist die blonde, saubere Modedesignerin. Du schlägst die Brücke zwischen Deutschland und Frankreich. Du bist stark und gesund. Du rauchst nicht. Du hast ab heute ein neues Image.» Nach diesem kurzen Vortrag las sie der sprachlosen Isabelle weiter aus dem Text vor. Die Arbeit bei Yves Morny wurde besonders herausgestellt und die Kooperation mit dem hanseatischen Unternehmen Trakenberg & Ansaldi, die Pläne, in ein paar Jahren nicht nur den deutschen, sondern auch den internationalen Modemarkt erobern zu wollen.
Schon ein paar Monate später zahlte sich Patrizias Konzept aus. Sie hatte Isabelle von einem erstklassigen Fotografen aus Berlin portraitieren lassen («Ab jetzt gibt's nur noch Fotos von dir, die wir selbst haben machen lassen!») und die Bilder und Texte an Zeitungen und Zeitschriften verschickt. Es gab eine Flut von Veröffentlichungen, und in zahlreichen Interviews wurde das Image noch ein bißchen weiter poliert. Ihr Vorbild sei Coco Chanel (was stimmte), sie spiele in ihrer knapp bemessenen Freizeit Golf und Tennis (was nicht stimmte, aber zu ihren neuen Entwürfen paßte), sie sei mit dem wunderbaren, legendären Yves Morny eng befreundet (gelogen) und plane, so bald wie möglich ihre Mode auch in Paris zu zeigen (wahr), sie komme aus einer wohlhabenden, kunstsinnigen Familie (alles nur geträumt), die sie allerdings kurzgehalten habe (wohl wahr), und neben der Mode und dem Sport habe sie nur ein weiteres Hobby: Sie sammle französische Impressionisten (schön wär's!).
Private Fragen wurden gern gestellt, aber nur ungern beantwortet, manchmal allerdings sogar offen und ehrlich. Es gebe keinen Mann in ihrem Leben, keine Familie, nicht einmal mehr eine Mutter. Sie lebe allein. Und nur für ihre Karriere. Ja, sie liebe Francreich, aber Deutschland eben noch ein wenig mehr. Richtig, der Norden sei kalt, der Süden heiß, und das sei eben die Mischung, die sie persönlich und damit ihre Mode geprägt habe.
Aus dem Image wuchsen die neuen Kollektionen, eine erfolgreicher als die andere. Isabelle wurde dafür bekannt und gerühmt, daß sie unterschiedliche Stile mischte, provenzalische Farben mit Hamburger Grau und Blau; englische Stoffe mit französischem Schick, kühle Linien mit heißen Trends.
Mitte der achtziger Jahre (sie war jetzt eine Frau von Anfang Dreißig) war Belle Corthen in ganz Deutschland ein Begriff. Peter Ansaldi hatte – wirtschaftlich klug – durchgesetzt, daß Lizenzen vergeben wurden. Fremde Firmen zahlten eine Menge Geld dafür, daß sie unter ihrem Namen Produkte herstellen durften. Belle-Corthen-Schuhe wurden produziert, Gürtel, Taschen und selbst Koffer; Wäsche trug das Label ebenso wie Brillen, und sogar eine Gardinenfabrik brachte Stores heraus, die sich fabelhaft verkauften.
Ohne es zu wissen, hatte Isabelle dazu beigetragen, einen Boom auszulösen. Auf einmal gab es eine «Deutsche Mode», einen «Deutschen Look». Aus den Schneidern, die einst mit gekreuzten Beinen auf ihren Arbeitstischen gesessen und Kleider genäht hatten – bei funzeligem Licht, in stickigen Stuben, Wilhelm-Busch-Figuren gleich –, waren gesellschaftlich hochangesehene Künstler geworden. Ein neues Wort macht die Runde: Hieß dieser Beruf erst Couturier und dann
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