Der Seewolf
Hand landete mitten auf der glühenden Platte. Es zischte, es roch nach verbranntem Fleisch, ein schriller Schmerzensschrei ertönte.
»O Gott, was habe ich bloß verbrochen?« Der Koch setzte sich auf den Kohlenkasten, hielt seine Hand und jammerte über die neue Verletzung, während er hin und her schaukelte. »Warum kommt so viel Unheil über mich? Ich tue doch niemandem etwas zuleide ...« Tränen rannen über seine bleichen Wangen und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Plötzlich kam ein wilder Ausdruck hinzu.
»Oh, wie ich ihn hasse! Ich hasse ihn!«
»Wen?«, fragte ich. Doch der arme Kerl weinte schon wieder über sein Unglück. Ich glaube, er hasste die ganze Welt und womöglich sogar sich selbst. Das Leben hatte ihm übel mitgespielt und manchmal fühlte ich Mitleid für ihn.
Als ob er meine Gedanken erraten hätte, klagte der Koch: »Niemals hatte ich eine Chance - nicht die Spur einer Chance. Es gab niemanden, der mich zur Schule schickte, der mir ein bisschen zu essen gab, der meine Nase abwischte, als ich klein war. Wer hat sich jemals um mich gekümmert? Wer hat je etwas für mich getan?«
»Ist ja gut, Tommy.« Ich legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »Bestimmt wird alles gut. Du bist jung. Aus dir kann noch sonst was werden.«
»Das ist eine verdammte Lüge!«, schrie er mir ins Gesicht und schüttelte meine Hand ab. »Und das weißt du ganz genau. Ich bin der letzte Dreck, Hump, und du bist als feiner Pinkel geboren. Du hast keine Ahnung, was Hunger bedeutet, hast dich nie mit knurrendem Magen in den Schlaf geweint. Es kann überhaupt nicht gut werden! Selbst wenn ich morgen Präsident der Vereinigten Staaten würde, könnte das nichts an dem Elend ändern, das ich als Kind erlebt habe. Ich kam auf diese Welt um zu leiden. Mein halbes Leben habe ich in Krankenhäusern zugebracht! Ich hatte Fieber in Aspinwall, in Havanna und in New Orleans. An Skorbut bin ich fast gestorben, bin sechs Monate lang vor mich hingefault auf Barbados. Die Pocken haben mich auf Honolulu erwischt, in Shanghai brach ich mir beide Beine! Lungenentzündung in Alaska, drei gebrochene Rippen in Frisco. Und jetzt? Schau mich doch an! Wieder hat mir einer die Rippen vom Rücken geschlagen. Gott muss mich gehasst haben, als er mich auf die Reise in diese blühende Welt schickte!«
Thomas Mugridges Klagelied über sein schweres Schicksal dauerte länger als eine Stunde. Dann machte er sich humpelnd und stöhnend an seine Arbeit. In seinen Augen stand abgrundtiefer Hass gegen alle lebenden Wesen auf Erden.
Es dauerte mehrere Tage, bis sich Johnson an Deck schleppte. Es ging ihm noch immer sehr schlecht und ich bemerkte einige Male, während er seine Arbeit verrichtete, dass er vor Schmerz zusammenzuckte und sich kaum auf den Beinen halten konnte. Das Schlimmste aber war, dass man anscheinend seinen Willen gebrochen hatte. Vor Wolf Larsen und Johansen kroch er fast auf dem Bauch!
Ganz anders Leach. Wie ein junger Tiger pirschte er über das Deck und schleuderte dem Kapitän und dem Steuermann seinen unverblümten Hass entgegen.
»Dich kriege ich noch, dich verfluchten Hund!«, hörte ich ihn eines Nachts auf Deck zu Johansen sagen. Der Steuermann verwünschte ihn in der Dunkelheit und im nächsten Moment traf etwas mit scharfem Schlag die Kombüse. Neuerliches Fluchen, höhnisches Gelächter.
Später, als alles still war, schlich ich hinaus. Ein großes Messer steckte tief in der soliden Holzwand. Schon tauchte der Steuermann auf und suchte herum, doch ich behielt meinen Fund für mich und übergab ihn Leach am nächsten Tag, als wir allein waren. Er grinste und damit dankte er mir mehr als andere mit tausend schönen Worten.
Ich glaube, ich war der einzige Mensch an Bord, der mit allen gut auskam. Die Jäger tolerierten mich vielleicht nur, zeigten aber keine Abneigung. Smoke und Henderson waren gewissermaßen meine Patienten. Sie schaukelten in Hängematten unter einem Sonnensegel und wurden von mir versorgt. Angeblich konnten sie sich keine bessere Krankenschwester vorstellen und versprachen mir eine reiche Belohnung, wenn sie am Ende der Reise ihren Lohn ausgezahlt erhielten. Wenn die wüssten! Besaß ich doch Geld genug, um den Schoner mit allem Drum und Dran mehrfach bezahlen zu können. Aber egal! Es war meine Aufgabe, die beiden zu pflegen, und ich tat mein Bestes.
Wolf Larsen erlitt einen neuen heftigen Kopfschmerzanfall, der zwei Tage anhielt. Er muss furchtbar gelitten haben, denn er befolgte meine
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