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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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versunken. Jeder an Deck rechnete damit, dass er sich im nächsten Moment auf Leach stürzen würde. Doch offensichtlich hatte er keine Lust.
    Inzwischen hatte sich der Junge in wütende Raserei gesteigert. »Schwein, Schwein, Schwein«, brüllte er, »warum kommst du nicht her und bringst mich um, du Mörder? Ich habe keine Angst. Komm her, du Feigling, und töte mich!«
    In diesem Moment hatte Thomas Mugridge seinen Auftritt. Von seinem Beobachtungsposten an der Kombüsentür kam er herbei, um Leachs Vernichtung aus der Nähe zu sehen. In seiner schmierigen Art versuchte er Wolf Larsens Blick einzufangen, was ihm jedoch nicht gelang. Da wandte er sich an Leach. »Was für eine Sprache! Ich bin entsetzt!«
    Jetzt endlich konnte der Junge seine Wut in Taten umsetzen. Darüber hinaus war es das erste Mal, dass der Koch ohne sein Messer die Kombüse verlassen hatte. Kaum hatte er zu Ende gesprochen, da wurde er schon niedergeschlagen.
    Dreimal kam er wieder auf die Füße und versuchte zu entwischen, doch jedes Mal schlug Leach ihn erneut zu Boden. Der Koch rief um Hilfe, wurde aber nur ausgelacht. Die Jäger lachten aus reiner Erleichterung. Die Tragödie war zu Ende, jetzt hatte der Schwank begonnen. Grinsend verfolgten die Matrosen, wie der verhasste Koch sein Teil abbekam. Auch ich fühlte große Freude, das muss ich gestehen.
    Der Ausdruck auf Wolf Larsens Gesicht blieb derselbe: grenzenlose Neugier. Es schien mir, als beobachtete er dieses Schauspiel, weil er hoffte, etwas über den Sinn des Lebens zu erfahren.
    Leach hätte Thomas Mugridge töten können, doch als er seine Wut abreagiert hatte, drehte er seinem jammernden Gegner den Rücken zu und ging.
    Diese beiden Kämpfe bildeten nur die Einleitung des noch bevorstehenden Tagesprogramms.
    Die Fortsetzung folgte am Nachmittag, als zwischen Smoke und Henderson eine wilde Schießerei stattfand, die die übrigen Jäger zur Flucht aus dem Zwischendeck veranlasste. Wolf Larsen mischte sich ein und verprügelte die beiden Männer, als sie bereits verwundet waren. Sie hatten seinen Befehl missachtet und sich vor dem Beginn der Jagd kampfunfähig geschossen.
    Nachdem Larsen sie verprügelt hatte, verarztete er sie und ich musste ihm dabei helfen. Die Behandlung war ausgesprochen roh und fand ohne Betäubung statt, abgesehen von einem Glas Whiskey.
    Während der ersten Hundewache entstand der nächste Tumult in der Back. Dort war eine Schlägerei im Gang und es herrschte ein Höllenlärm. Die Verletzungen, die am nächsten Tag ans Licht kamen, deuteten daraufhin, dass anscheinend die eine Hälfte der Besatzung die andere verdroschen hatte.
    Ein Kampf zwischen Johansen und dem Jäger Latimer beendete schließlich diesen Tag. Er hatte einem Albtraum geglichen. Sah so das wahre Leben aus? Plötzlich war ich nicht mehr Humphrey van Weyden, sondern Hump, der Kajütenjunge, auf dem Schoner Ghost. Wolf Larsen war mein Kapitän, Thomas Mugridge und die anderen Seeleute meine Gefährten. Konnte ich es vermeiden, dass ich ihnen von Tag zu Tag ähnlicher wurde? Ich war verzweifelt!

Drei Tage lang verrichtete ich Thomas Mugridges Pflichten neben meinen eigenen und ich leistete gute Arbeit. Die Seeleute strahlten vor Glück, solange ich das Regiment in der Küche führte.
    »Der erste genießbare Bissen, seit ich an Bord bin«, meinte Harrison an der Kombüsentür, als er die Töpfe und Pfannen vom Mittagessen zurückbrachte. »Tommys Zeug schmeckt immer nach ranzigem Fett und ich habe den Verdacht, dass er seit Frisco ein und dasselbe Hemd anhat!«
    »Stimmt«, sagte ich.
    »Ich schätze, er pennt auch darin?«, vermutete Harrison.
    »Traurig, aber wahr! Er hat das Hemd noch keine Minute vom Leib gehabt.«
    Doch Wolf Larsen gestand dem Koch nur eine Ruhepause von drei Tagen zu, um sich von seinen Verletzungen zu erholen. Obwohl er noch lahm und wund war und kaum aus seinen geschwollenen Augen schauen konnte, wurde er grob am Schlafittchen gepackt und aus seiner Koje gezerrt. Er weinte und schniefte, aber der Kapitän kannte kein Erbarmen.
    »Sieh zu, dass du in Zukunft keinen Schweinefraß mehr servierst«, sagte er. »Kein ranziges Fett mehr und kein Dreck! Und wenn du nicht bald ein frisches Hemd anziehst, wirst du an einem Strick durchs Wasser gezerrt, kapiert?«
    Thomas Mugridge schleppte sich kraftlos durch die Kombüse. Als ein kurzer Ruck durch die Ghost ging, verlor er das Gleichgewicht. Er wollte sich am Eisengitter des Herds festhalten, griff aber daneben und seine

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