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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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zurück. In seinen Augen flackerte reine Mordlust.
    »Wo ist der Steuermann, Hump?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
    Ich schüttelte meinen Kopf.
    »Johansen!«, rief er leise. »Johansen!« Dann fragte er Harrison: »Wo ist er?«
    Anscheinend hatte Harrison inzwischen seine Fassung wiedergewonnen, denn er antwortete: »Ich weiß nicht, Sir. Vor kurzem ist er nach vorn gegangen.«
    »Dort bin ich auch hingegangen. Aber du hast bestimmt bemerkt, dass ich nicht denselben Weg zurückgekommen bin. Kannst du dir das erklären?«
    »Sie müssen über Bord gegangen sein, Sir.«
    »Soll ich im Zwischendeck nach ihm suchen, Sir?«, fragte ich.
    Wolf Larsen schüttelte den Kopf. »Sie würden ihn nicht finden,
    Hump. Aber meinetwegen. Kommen Sie!«
    Ich lief hinter ihm her. Mittschiffs regte sich nichts.
    »Verdammte Jäger«, schimpfte der Kapitän. »Zu voll gefressen und träge, um vier Stunden Wache zu halten!«
    Auf der Back fanden wir drei schlafende Matrosen. Wolf Larsen schüttelte sie.
    »Wer hat den Ausguck?«
    »Ich, Sir«, sagte Holyoak, einer der Vollmatrosen. Seine Stimme zitterte. »Vor weniger als einer Minute bin ich eingenickt. Es kommt bestimmt nicht noch einmal vor!«
    »Hast du irgendetwas auf Deck gehört oder gesehen?«
    »Nein, Sir. Ich ...«
    Wolf Larsen schnaubte verächtlich und ließ den verdatterten Seemann stehen.
    »Leise jetzt!«, flüsterte er mir zu, als er sich bückte, um durch die Luke hinunterzusteigen. Ich folgte ihm mit klopfendem Herzen.
    Noch nie zuvor hatte ich einen Fuß in die Back gesetzt und meinen ersten Eindruck würde ich nicht so bald vergessen. Die Back besaß die Form eines Dreiecks. An jeder Seite waren vier Kojen in zwei Reihen übereinander gebaut. In der winzigen Kammer mussten zwölf Männer atmen, schlafen und essen. Die Luft war schal und säuerlich und im trüben Licht der schaukelnden Lampe sah ich, dass jede freie Ecke vollgestopft war mit Stiefeln, Ölzeug und Kleidungsstücken. Irgendwo bummerte in regelmäßigen Abständen ein Stiefel gegen die Wand, und obwohl die Nacht ruhig war, knarrte das Holz und knirschten die Dielen. Die Schlafenden störte das alles nicht. Sie schnarchten, grunzten und schnauften. Die Luft war zum Schneiden dick.
    Wolf Larsen nahm die Lampe aus ihrer Halterung und reichte sie mir. Dann näherte er sich den beiden ersten Kojen. Er wollte herausfinden, welcher der Seeleute in Wahrheit gar nicht schlief, sondern sich nur schlafend stellte.
    In der oberen Koje lag der Südseeinsulaner Oofty-Oofty. Als Wolf Larsen sein Handgelenk ergriff, um ihm den Puls zu fühlen, wachte er auf. Doch er schloss seine Augen sofort wieder, als der Kapitän warnend den Finger auf die Lippen legte.
    Louis in der unteren Koje murmelte rätselhafte Worte im Schlaf und wälzte sich unbehaglich herum, als sein Handgelenk befühlt wurde.
    Wolf Larsen schritt weiter zu den beiden nächsten Kojen, wo oben Leach und unten Johnson lagen. Als er sich über die untere Koje beugte, sah ich, wie Leach verstohlen den Kopf hob. Ihm war klar, was vor sich ging, und dass er keine Chance hatte, unentdeckt zu bleiben. Schon wurde mir die Lampe aus der Hand geschleudert und die Back versank in Dunkelheit.
    Leach musste sich auf Wolf Larsen gestürzt haben, der wütend losbrüllte. Und wie ich aus den dumpfen Schlägen, dem Knurren und Stöhnen entnehmen konnte, war auch Johnson in den Kampf verwickelt. Sein unterwürfiges Getue war demnach Verstellung gewesen.
    Offensichtlich nahmen noch mehr Männer an der Verschwörung gegen den Kapitän und den Steuermann teil und versuchten Larsen zur Strecke zu bringen.
    »Ein Messer her!«, brüllte Leach. »Ich brauche ein Messer, verdammt!«
    »Schlag ihm über den Kopf, zerquetsch ihm sein Gehirn!« Das war Johnson.
    Von Wolf Larsen hörte ich nichts mehr. Er kämpfte verbissen und geräuschlos um sein Leben. Es sah schlecht für ihn aus. Nachdem er gleich im ersten Moment zu Boden geschleudert worden war, gelang es ihm trotz seiner enormen Stärke nicht, wieder auf die Füße zu kommen. Die Männer kämpften so wild und brutal, dass auch ich in dem Gemenge einige Hiebe abbekam und in eine leere Koje flüchtete.
    »Kommt her, wir haben ihn! Jetzt haben wir ihn!«, hörte ich Leach schreien.
    »Wen?«, fragten einige Matrosen, die unbeteiligt an der Verschwörung waren und bis eben geschlafen hatten.
    »Den verdammten Steuermann!«, rief Leach schlau.
    Begeisterte Ausrufe folgten und von jetzt an hatte Wolf Larsen sieben starke Kerle

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