Der Seewolf
höre, bist du nicht recht zufrieden mit deinem Ölzeug?«
»Nein, das bin ich ganz und gar nicht. Es ist nicht gut, Sir.«
»Und du hast darüber überall dein Maul aufgerissen.« »Ich sage, was ich denke, Sir.«
In diesem Moment fiel mein Blick auf Johansen, der Johnson bösartig anstarrte. Unter einem Auge war noch immer eine leichte Verfärbung zu erkennen, die von einer Prügelei mit dem Matrosen stammte. Ich ahnte, dass sich etwas Entsetzliches anbahnte.
»Weißt du, was mit Männern passiert, die etwas Schlechtes über mich und meine Kleiderkiste verbreiten?«, fragte Wolf Larsen.
»Ich weiß, Sir«, kam die Antwort.
»Was?« Wolf Larsens Stimme klang schneidend.
»Was Sie und der Steuermann gleich mit mir anstellen werden, Sir.«
»Schauen Sie ihn sich an, Hump«, sagte Wolf Larsen zu mir. »Schauen Sie dieses Stück beseelten Dreck an, das von menschlichen Fantasien wie Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit beeindruckt ist. Was halten Sie von ihm, Hump?«
»Ich glaube, dass er ein besserer Mensch ist als Sie«, antwortete ich.
Er nickte voll wilder Freude. »Ganz recht, Hump, ganz recht. Ich schwärme nicht für Tapferkeit und Edelmut. Ich kenne nur die Lehre von Nützlichkeit und Überleben. Wissen Sie, was ich jetzt tun werde?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Na, ich werde Ihnen zeigen, wohin Edelmut führt. Passen Sie auf!«
Wie ein wildes Tier sprang er Johnson mit einem einzigen Satz an. Der Matrose versuchte mit einem Arm seinen Kopf, mit dem anderen seinen Bauch zu schützen. Doch Wolf Larsens Faust krachte in die Mitte dazwischen. Johnson kippte nach hinten, taumelte von einer Seite zur anderen, versuchte das Gleichgewicht zu halten.
Ich bin nicht in der Lage, Einzelheiten über die schreckliche Szene, die nun folgte, zu schildern. Noch heute wird mir schlecht, wenn ich daran denke. Johnson hielt sich tapfer, aber er hatte keine Chance gegen Wolf Larsen und erst recht nicht gegen Wolf Larsen und den Steuermann. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ein menschliches Wesen so viel ertragen kann und trotzdem noch lebt und weiterkämpft. Doch es war aussichtslos.
Da ich es nicht länger mit ansehen konnte, rannte ich die Stufen hinauf, um an Deck zu flüchten. Doch Wolf Larsen ließ sein Opfer einen Moment los, holte mich ein und stieß mich in eine Ecke der Kajüte.
»Bleiben Sie da und schauen Sie zu, Hump«, knurrte er. »Hier können Sie Erkenntnisse über die Unsterblichkeit der Seele gewinnen. Außerdem wissen Sie doch, dass wir Johnsons Seele nichts anhaben können. Es ist nur seine vergängliche Hülle, die wir zerstören können.«
Die beiden schlugen ihn mit ihren Fäusten, traten ihn mit ihren schweren Schuhen, boxten ihn nieder und zerrten ihn auf die Füße, nur um ihn erneut niederzuschlagen. Er konnte nichts mehr sehen und das Blut rann ihm aus Ohren, Nase und Mund. Als er sich nicht mehr erheben konnte, schlugen und traten sie weiter auf den am Boden Liegenden ein.
»Genug«, meinte Wolf Larsen schließlich, »es reicht, Johansen. Machen Sie die Tür auf, Hump.«
Ich gehorchte und die beiden Bestien zerrten den Bewusstlosen wie einen Sack voll Müll die Treppe hinauf und warfen ihn draußen aufs Deck. Dort wurde Louis, sein Bootsgefährte, von einem Schwall Blut getroffen, aber er zeigte keine Regung.
Ganz anders verhielt sich George Leach, der ehemalige Kajütenjunge. Damit hätte niemand gerechnet! Er kam sofort herbei und kümmerte sich um Johnson. Er verband seine Wunden und bemühte sich seine Schmerzen zu lindern. Dann wandte er sich an Wolf Larsen, der sich am Patentlog zu schaffen machte und dabei eine Zigarre rauchte.
Leachs Stimme klang heiser vor Wut und seine Augen blitzten aus dem bleichen Gesicht, während er die geballten Fäuste hob. »Möge Gott deine Seele zur Hölle schicken, Wolf Larsen, du Feigling, du Mörder, du Schwein! Selbst die Hölle ist noch zu gut für dich!«
Ich stand wie vom Donner gerührt, erwartete seine umgehende Vernichtung. Doch Wolf Larsen beobachtete den erregten Jungen voller Interesse und Neugier. Und der Junge klagte Wolf Larsen an, wie er noch niemals angeklagt worden war. Die Seeleute liefen zusammen, hörten und staunten. Die Jäger starrten verdutzt vom Zwischendeck herüber ohne eine Spur ihrer sonst üblichen Gleichgültigkeit. Undenkbar, dass irgendein menschliches Wesen Wolf Larsen in dieser Weise Contra bieten durfte! Ich war voller Bewunderung für den Jungen.
Wolf Larsen schien noch immer in Neugier
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