Der Seher des Pharao
rasch ein, aber seine Träume waren wirr..
Am nächsten Tag musste er seine Eifersucht niederkämpfen, als er beobachtete, wie Ischat zu Thutmosis in die Sänfte stieg. Ischat hatte ihm die Liste der Bittsteller gegeben, die am Vortag, als er beim König war, vorstellig geworden waren, und Huy machte sich grimmig auf den Weg, um so vielen wie möglich Linderung zu verschaffen. Mittags aß er mit Methen und berichtete ihm in allen Einzelheiten von seiner Audienz bei Amenhotep. Da er zu aufgewühlt zum Schlafen war, durchmaß er auch am Nachmittag die Stadt, ging von Haus zu Haus und beschäftigte sich mit jedem Fieber, jeder Wunde, jeder unbekannten Krankheit mit so viel Freundlichkeit, wie er nur aufbringen konnte. Wie immer nahmen seine Kopfschmerzen im Lauf des Tages zu, sodass er schließlich nach Hause ging, um die Segnungen des Mohns, den er von Men bekommen hatte, und seines durchgelegenen Bettes zu genießen.
Der Schmerz hatte bereits nachgelassen, als er Ischats Stimme auf der Straße hörte. Sie stürmte ins Haus. »Huy, bist du da?«, rief sie und erschien im Durchgang zu seinem Schlafzimmer, wo er gerade benommen versuchte, seine Sandalen anzuziehen. »Die Sonne geht schon bald unter. Thutmosis wartet draußen mit der Sänfte auf uns.« Sie kam näher und schaute ihm ins Gesicht. »Hat heute dein Kopf wieder wehgetan?«
Er nickte. »Ja, aber der Mohn hat das Schlimmste verhindert. Hast du Spaß gehabt?«
Sie kniete sich vor ihn und band mit geschickten Fingern seine Sandalen. »Ja, das habe ich. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich dich allein gelassen habe. Thutmosis will, dass ich ihm morgen wieder Gesellschaft leiste, aber das werde ich nicht. Du brauchst mich.«
»Ich möchte nicht, dass du mir hilfst, wenn du es nicht willst.« Huy versuchte vergeblich, die Bockigkeit aus seiner Stimme zu verbannen.
Ischat legte ihre Wange an seine Wade und stand dann auf. »Es ist lustig, die vornehme Dame zu spielen, aber ich fühle mich bei dir wohler«, sagte sie schlicht. »Brauchst du Hilfe mit dem Schurz?«
»Nein. Ich bin zwar noch zittrig, aber es wird besser. Ein weiterer Abend auf Thutmosis’ Barke ist genau das, was ich brauche. Können wir uns alle drei in die Sänfte quetschen?«
In den folgenden fünf Tagen blieb Thutmosis mit seinem Schiff in Hut-Herib. Ischat hielt Wort und arbeitete an zweien davon für Huy, doch beide kamen jeden Abend zum Essen an Bord. Sie verlor ihre Schüchternheit sehr schnell und beteiligte sich an den Gesprächen, die sich bis weit in die süßen, heißen Nächte zogen. Huy gewann den dringend benötigten Trost aus der zunehmenden Nähe zwischen ihnen dreien. Und Ischat konnte sich Thutmosis’ Drängen, die restlichen Tage mit ihm zu verbringen, nicht verschließen.
Am letzten Nachmittag vor seiner Abreise nach Iunu kam sie früh zurück. Sie hatte Huy gebeten, im Haus zu sein, und er wartete angespannt auf einem Stuhl im größeren Zimmer, als sie eintrat. Zum ersten Mal grüßte sie ihn nicht. Sie goss sich Wasser ein und trank lange, ehe sie den Becher mit übertriebener Bedächtigkeit abstellte. Sie musste etwas auf dem Herzen haben. Huy hatte einen Verdacht, was es war, ballte die Hände im Schoß zu Fäusten und wartete. Ischat zog sich einen Hocker heran und setzte sich vor ihn.
»Thutmosis wollte mir in den letzten Tagen viele schöne Geschenke machen«, begann sie und sah sich im Zimmer um, wobei sie den Blickkontakt mit Huy vermied. »Es gibt hier in Hut-Herib einen Markt, auf dem die Reichen Ziergegenstände, die sie nicht mehr haben wollen, losschlagen. Ich wusste nichts davon, ehe wir ihn entdeckt haben. Ich war in Versuchung, aber ich habe nichts angenommen.«
Huy fragte nicht, warum. Stattdessen sagte er: »Weiter.«
»Er hat mir erlaubt, dir zu sagen, dass er sich in mich verliebt hat. Er will dich fragen, ob er mich mit nach Iunu nehmen kann.« Huy hatte gewusst, was sie sagen würde, hatte die Worte im Geiste wie einen gespenstischen Widerhall gehört, doch trotzdem fiel jede Silbe, die sie aussprach, wie Katzenmusik in sein Herz und ließ ihn schwanken.
»Ich verstehe«, brachte er heraus. »Als was, Ischat? Als seine Dienerin? Seine Konkubine?«
»Nein.« Sie begann stumm zu weinen. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie versuchte nicht, sie wegzuwischen. »Ich bekomme ein kleines Haus und Diener. Er versorgt mich mit allem, was nötig ist, wenn ich ihm gestatte, mich seiner Familie vorzustellen, sodass sie mich
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