Der Seher des Pharao
aufgeregt, aber Huy konnte nicht verstehen, was sie sagten. Ich nehme an, alle Diener sind begeistert, dass sie im Haus des berühmten Sehers arbeiten dürfen, dachte er gequält. Wahrscheinlich erwarten sie, Zauberei zu sehen und Beschwörungen zu hören. Sie scheinen auch schon Ischat als Schreiberin akzeptiert zu haben – was ja eine höchst ungewöhnliche Stellung ist. Das ist ein gutes Zeichen. Ich muss Merenra sagen, dass er das Löwenfell ins Gästezimmer legen soll. Ich will nicht in einem Zimmer schlafen, wo das Licht der Lampe auf diesen gebleckten Zähnen glänzt. Ich frage mich schon, welchen Witz Thutmosis darüber machen wird, wenn er zu Besuch kommt. Die Rechet soll uns auch besuchen, und Ramose. Heby – ich fände es schön, wenn Heby eine Weile bei mir leben würde, aber ich fürchte, Vater erlaubt das nicht. Oh, woher kommt diese drückende Schwermut, die mich erfüllt?
Er ging wieder ins Haus, wo Ischats Geplauder zu hören war, und weiter in sein Arbeitszimmer. Gedämpftes, gesprenkeltes Sonnenlicht fiel durch das Fenster. Die Blätter der Büsche raschelten leise. Sie klingen wie die Blätter des Isched-Baums, dachte er unwillkürlich. Atum, wohin gehe ich? Wohin führst du mich?
Die Antwort kam auf der Stelle. Merenra betrat den Raum mit einer Schriftrolle in der Hand und verbeugte sich. »Entschuldige, Meister. Ich hätte diesen Brief deiner Schreiberin geben sollen, aber sie ist beschäftigt. Soll ich ihn öffnen und dir vorlesen? Er wurde von einem Herold gebracht, der auf deine Antwort wartet.« Huy nickte. Der Haushofmeister brach das Siegel und rollte den Papyrus auf. »›An den großen Seher Huy, Sohn des Hapu. Sei gegrüßt. Ich beabsichtige, nach Hut-Herib zu reisen, um dich hinsichtlich künftiger Ereignisse in meinem Leben, die die Götter in ihrer Gnade enthüllen mögen, zu konsultieren. Ich werde von Mennofer abfahren, sobald mir mein Herold deine Zustimmung überbracht hat. Langes Leben und Gesundheit dir! Diktiert und eigenhändig unterzeichnet, Amenhotep, Wesir von Ägyptens« Merenra sah auf. »Das ist alles, Meister. Was soll ich dem Herold antworten?«
Wesir von Ägypten, dachte Huy und spürte, wie auf seinem Rücken der Schweiß ausbrach. Der Stellvertreter des Königs und sein Namensvetter. Zwei Tage, bis der Herold in Mennofer ist, zwei Tage, bis der Wesir in Hut-Herib ist. Huy schluckte. Sein Hals war plötzlich trocken geworden. »Sag dem Herold, dass ich mich freue, dem Wesir in fünf Tagen weissagen zu können. Und du, Merenra, hast somit fünf Tage, um diesen Haushalt auf Vordermann zu bringen. Der Wesir darf nicht durch nachlässige Bedienung oder schlecht gekochtes Essen beleidigt werden. Frag den Gärtner, ob er irgendwoher frische Blumen besorgen kann. Frag …«
Merenra hob die Hand. »Mit diesen Angelegenheiten brauchst du dich nicht zu beschäftigen. Überlass alles mir. Entlass mich, damit ich mit dem Herold sprechen kann.« Huy entsprach der Bitte. Als Merenra den Raum verließ, kam Ischat hereingerannt.
»Draußen steht ein Mann in Uniform, und ich habe gesehen, wie Merenra mit einer Schriftrolle hereingekommen ist«, platzte sie heraus. »Worum geht es, Huy? Schlechte Nachrichten? Hat der König seine Meinung über uns und das Haus geändert?«
»Nein. Es ist die Art von Botschaft, mit der ich letztlich gerechnet habe, allerdings nicht ganz so schnell. Ich soll dem Wesir weissagen. So wird unser Leben künftig aussehen, Ischat. Kar wird die normalen Leute am Tor aufhalten und sie nur hereinlassen, wenn wir es ihm sagen. Der König hat meine Gabe ebenso sicher wie meinen Körper in diesem Haus gefangen gesetzt.«
Zum ersten Mal widersprach sie ihm nicht, aber aus ihren Augen verschwand der fröhliche Glanz. Nach kurzem Zögern verließ sie den Raum.
Huy ging um den Arbeitstisch herum und ließ sich in den Stuhl plumpsen. Er legte seine Arme auf den Tisch und betrachtete das unscharfe Spiegelbild seiner Finger auf der glänzend polierten Platte. Der Mann des Königs. Huy, Sohn des Hapu, du bist jetzt der Mann des Königs, und deine wahre Bestimmung erfüllt sich. Lange Zeit saß er bewegungslos da.
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