Der Seher des Pharao
eingeladen. Und was kümmern uns die Diener? Du hast doch nie etwas darauf gegeben, was die Leute denken könnten.«
»Aber das hier ist etwas anderes!« Sie zog an ihren zerzausten Haaren und streckte dann die Hände aus. »Es ist kein parfümiertes Öl für meine Haare mehr übrig! Keine Zeit, meine Hände weicher zu machen, selbst, wenn ich das Wasser dafür hätte! Ich kann nicht einmal so tun, als wäre ich eine edle Dame, die sich bescheiden gibt!«
Endlich verstand Huy. Ischat war es egal, was die Diener über sie denken würden, aber Thutmosis’ Meinung war ihr sehr wohl wichtig. Ihre übliche Unverfrorenheit hatte sie verlassen. Huy dachte einen Moment nach und entschied sich dann dafür, ehrlich zu sein. »Thutmosis sieht in dir genau das, was du bist«, sagte er ernst. »Er hat zu mir gesagt, dass du schön bist, und das stimmt, Ischat! Glaubst du, es würde seinen Respekt dir gegenüber erhöhen, wenn du versuchst, wie jemand zu wirken, der du nicht bist? Wir können etwas Lampenöl für deine Haare abzweigen. Und ich habe noch ein bisschen Parfüm in meiner Truhe, das wir daruntermischen. Deine Kleider sind sauber, und deine Sandalen können wir abspülen. Trag den Kopf hoch, und sei vor Thutmosis’ Dienern so anmutig und stolz, wie du kannst.«
»Für dich ist das in Ordnung«, sagte sie schmollend, aber schon ruhiger. »Du bist jahrelang von ihnen bedient worden, jedes Mal wenn du Thutmosis’ Vater und seine Familie besucht hast. Verstehst du nicht, dass ich Angst habe, wie eine Idiotin auszusehen?«
Jetzt musste Huy lachen. »Meine teuerste Ischat! Ein scharfes Wort von dir dürfte sie in die Schranken weisen. Und außerdem, wer bin ich? Nichts als ein Bauer, der sich durch eine Laune des Schicksals die Sitten der Aristokratie zu eigen gemacht hat. Beschließ doch, dich zu amüsieren. Genieß den Wein. Iss deinen Teil. Du verdienst es, ein bisschen verwöhnt zu werden.«
Als Antwort nahm sie zögernd eines der Kleider und schüttelte es. »Wenigstens passt es mir. Huy, frisierst du mich?«
Also goss sich Huy, während sie ruhig auf einem Hocker saß, ein wenig Öl in die Handfläche, fügte ein paar kostbare Tropfen seines Jasminparfüms hinzu und knetete die Mischung in ihre dicken schwarzen Locken, bis sie gezähmt und glänzend auf ihren Schultern lagen. Dann rührte er sein Kajalpulver mit Wasser an und umrandete vorsichtig und langsam, denn so etwas hatte er noch nie gemacht, ihre Augen damit. Das Ergebnis war umwerfend. Wie sie so dastand, in ihrem schlichten Kleid, Hals und Arme ohne Schmuck, die Augen dank des Kajals riesig und strahlend, hatte sie etwas wahrhaft Königliches an sich, das Huy einen ungewohnten Stich versetzte. »Du siehst aus wie eine Königin früherer Zeiten«, sagte er.
Sie lächelte. »Danke, Huy. Jetzt sollte ich mich vor die Tür setzen, sodass all die Bürgerlichen hier in der Straße mir ihre Reverenz erweisen können.«
Sie war noch nie in einer Sänfte getragen worden und begeisterte sich ob der bequemen Kissen, des Luxus, die Vorhänge zuziehen zu können, und der rhythmischen Bewegungen der Träger mit einer kindlichen Freunde, dass sich Huy richtig onkelhaft vorkam. Thutmosis hatte sein Schiff ein kleines Stück südlich der Stadt in einer kleinen, von Palmen gesäumten Sandbucht festmachen lassen. Einer der Wächter aus Nachts Haus stand am Landungssteg. Huy erkannte ihn wieder und grüßte ihn fröhlich. Der Mann verbeugte sich erst vor Huy und dann vor der aufgeregten Ischat, die die bunt bemalten Planken und die Fahne in den Farben von Nachts Sepat bestaunte, die über dem vergoldeten Bugsporn flatterte. Huy hatte das Gefühl, nach Hause zu kommen.
Erinnerungen überfielen ihn, als er Ischat über den Steg zu den wartenden Männern an Deck führte. Anuket, die für die trunkene Menge bei einem Hapi-Fest tanzt, anmutige, kleine Hände, die Blumenkränze auf das Wasser werfen. Nascha, die sich unter einem Baldachin im Schatten der Kabine räkelt, sich Kühlung zufächelt und träge lächelt, immer ein neckendes Wort für den kleinen Bruder auf den mit Henna gefärbten Lippen, wenn der sein Wurfholz beiseitelegt und nach dem Bier greift. Nacht selbst und seine Frau, die Huy grüßend die Hände entgegenstrecken, der mit seinem Lederbeutel in der Hand über den Steg rennt, denn es geht zu einem zweitägigen Ausflug in die Sümpfe, um die neugeborenen Flusspferde zu beobachten. Wie viel habe ich doch verloren, dachte er mit einem Anflug von Trauer. Wie
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