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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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grausam die Vergangenheit ist. Sie ruft schmerzliche Erinnerungen ins Gedächtnis und lässt sich nicht ändern, bringt die sinnlose Qual des ›Was wäre, wenn …‹, das Wissen, dass die Zeit eine Mörderin ist, die alle Hoffnungen tötet, alle Türen hinter mir zuwirft und mich in Gefilde trägt, in die ich nicht vorstoßen will.
    Thutmosis verbeugte sich vor Ischat und nahm ihre Hand. »Du siehst heute Abend sehr schön aus«, sagte er ernst. »Das hier sind mein Haushofmeister Ptahhotep, mein Kapitän Seneb und mein Diener Ibi. Ibi wird sich heute Abend um dein Wohlergehen kümmern.« Ptahhotep und Seneb neigten den Kopf, und Ibi verbeugte sich tief. Danke, Thutmosis. Du hast Ischats Unsicherheit intuitiv und schneller als ich erkannt. Huy begrüßte die drei Männer als die alten Bekannten, die sie waren.
    »Wir haben in Iunu alle von deinem Ruhm gehört, Meister Huy«, erklärte Ptahhotep, als die Gruppe zu den locker verteilten Kissen und den niedrigen, mit Blumen geschmückten Tischen zwischen Kabine und Heck schritt. »Ich gratuliere dir zu der Gunst der Götter.«
    Huy grinste ihn wehmütig an. »Danke, Ptahhotep, aber manchmal ist die Gunst der Götter eher eine Bestrafung.«
    »Oder das Resultat früherer Sünden«, warf Thutmosis ein. »Ischat, nimm hier links von mir Platz. Huy, du sitzt mir gegenüber. Seneb, du kannst jetzt deiner Aufgabe nachkommen.« Der Kapitän deutete eine Verbeugung an und ging über den Steg an Land. »Die Mannschaft entzündet ein Feuer am Ufer, bereitet sich Suppe und Fisch zu und betrinkt sich wahrscheinlich«, fuhr Thutmosis fort. »Ich werde noch ein paar Tage in dieser gemütlichen kleinen Bucht bleiben. Ischat, wenn Huy dich nicht benötigt, würde ich mir gern von dir eure Stadt zeigen lassen.«
    Ibi beugte sich über Ischat und reichte ihr einen Becher. Ptahhotep war Richtung Bug verschwunden. Ischat nahm den Becher. Ihre Hand zitterte, aber ihre Stimme war fest. »Da gibt es nicht viel zu sehen, edler Herr. Nur schmale Straßen, ein paar staubige Heiligtümer und die Märkte …« Ibi beugte sich mit dem Weinkrug in beiden Händen wieder über sie und wartete darauf, dass sie ihm den Becher reichte. Sie spürte das und hielt ihn hin. Dabei atmete sie hastig, und nachdem der Becher gefüllt war, trank sie durstig.
    Thutmosis nahm ihr den Becher überraschend ab, stellte ihn neben sie und umfasste ihre Hände. Sie versuchte, sich loszumachen, aber er hielt sie fest. »Ischat«, sagte er sanft, »es verletzt mich, wenn du mich so förmlich behandelst. Hast du mich nicht bei meinem Namen genannt, als wir in eurem Haus zusammen gelacht haben? Habe ich dich seither beleidigt? Dieses kleine Festessen ist ebenso dir zu Ehren wie für unseren Freund Huy. Wenn du dich nicht amüsierst, habe ich als Gastgeber versagt.«
    Huy sah verwundert zu. Trotz seiner offenen Worte zu Thutmosis über Ischat und zu Ischat über Thutmosis hatte er wenig über ihr Verhältnis zueinander nachgedacht. Doch jetzt konnte er spüren, dass etwas nahezu Greifbares zwischen ihnen ablief, das ihn ausschloss. Thutmosis ist dabei, sich in sie zu verlieben, sagte er sich und wusste nicht, ob er das empörend oder verblüffend finden sollte. Götter, wie viel Ironie enthält das, was ihr mit uns macht!
    Ischat blickte in ihren Schoß. »Es tut mir leid, Thutmosis«, sagte sie mit einer Unterwürfigkeit, die Huy noch nie bei ihr erlebt hatte. »Ich bin sehr aufgeregt, dass ich hier auf deinem Schiff sein darf. Natürlich zeige ich dir gern die Stadt, wenn Huy einverstanden ist. Manche der Märkte sind wirklich lustig.«
    »Gut.« Thutmosis ließ sie los.
    Huy dachte, sie würde sich sofort wieder ihren Weinbecher nehmen, aber stattdessen legte sie die Hände übereinander auf ihren Schenkel. Ein strahlendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Aber wir müssen deine wunderbare Sänfte benutzen. Wenn nicht, werden wir schmutzig, und am Ende sind deine Sandalen ruiniert.« Ptahhotep und Ibi kamen mit Tabletts voller dampfender Schüsseln. Ischat nahm vorsichtig die Blumen von ihrem Tisch und legte sie auf die mit Teppichen bedeckten Planken. Ibi hielt ihr das Tablett hin, und sie zeigte auf die Gerichte, die sie kosten wollte. Sobald sie vorgelegt waren, begann sie zu essen. Sie hatte ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden.
    Mittlerweile war es dunkel geworden. Am Ufer sprühte das Feuer der Mannschaft orangefarbene Funken in den schwarzsamtenen Himmel und beleuchtete flackernd den Halbkreis der Palmen, die

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