Der Seher des Pharao
sich in der warmen Brise wiegten. Die Tische wurden weggetragen und durch weitere Kissen ersetzt. Thutmosis und Huy begannen, in Erinnerungen zu schwelgen. Beide waren sich bewusst, dass Ischat, die sich auf einen Ellbogen gestützt zurückgelehnt hatte, ihnen zuhörte. Es schien Huy, dass Thutmosis, auch wenn er mit ihm sprach, eine Vorstellung allein für sie gab. Seine Gesten waren größer und anmutiger als sonst, sein Lachen kam öfter, und seine Stimme klang angeregter. Werde ich sie verlieren?, fragte sich Huy, während sein Mund mit dem Freund sprach. Ich werde nicht zulassen, dass sie die Dienerin von jemand anderem ist – aber was ist, wenn Thutmosis Größeres mit ihr vorhat? Plötzlich erinnerte er sich an die Vision zu ihrer Zukunft, die er per Zufall gehabt hatte. »Wir«, hatte sie da gesagt, »wir haben heute nicht mit dir gerechnet.«
»Wach auf, Huy«, sagte Thutmosis. »Hast du mir zugehört? Ich habe erzählt, dass es mir schließlich doch gelungen ist, eine Ente mit dem Wurfholz zu treffen. Du hättest Naschas Aufschrei hören sollen! Dummerweise war der Vogel nicht verwundet, sondern nur betäubt, sodass er, nachdem er eine Weile im Schilf gelegen hatte, wieder davonflog. Du solltest hier lachen!«
»Ich esse gern Ente, aber der Gedanke, eine zu töten, ist schrecklich.« Ischats Stimme erklang aus der Dämmerung hinter dem Schein der Lampen, die Ptahhotep angezündet hatte.
Thutmosis drehte sich erfreut zu ihr um. »Nicht wahr? Ich empfinde das auch so. Ich war noch nie ein großer Jäger, auch wenn ich den König ein paar Mal begleitet habe. Er liebt diesen Sport und ist auch sehr gut darin. Enten, Löwen, Gazellen – er spannt diesen ungeheuren Bogen, und sein Pfeil fliegt so weit, dass man ihn nicht mehr sehen kann. Mir tun seine Feinde in Retenu jetzt schon leid.«
Huy gähnte und stand auf. »Ich habe zu viel von deinem guten Wein getrunken, Thutmosis. Und das Treffen mit dem König war sehr anstrengend. Ich würde gern die ganze Nacht über alte Zeiten reden, doch ich muss einfach ins Bett. Sonst schlafe ich hier draußen ein.«
Ischat machte ein langes Gesicht und wollte sich erheben.
»Huy, erlaubst du, dass Ischat noch ein bisschen länger an Bord bleibt?«, fragte Thutmosis. »Wir beide haben uns ziemlich unhöflich nur über unsere Erlebnisse unterhalten, und ich möchte unser schlechtes Betragen gern wiedergutmachen.«
»Natürlich kann sie bleiben, wenn sie will«, sagte Huy und versuchte, seinen Unmut zu verbergen. Er wusste, dass es egoistisch war, aber die Vorstellung, dass die beiden sich nach seinem Weggang dichter zusammensetzen, Seite an Seite in den weichen Kissen lehnen und unter dem Einfluss des sanften Nachtwindes zunehmend vertrauter werden würden, machte ihm Angst. »Ischat, möchtest du noch eine Weile bleiben?«, fragte er ohne große Hoffnung.
Sie nickte und sank wieder zurück. »Danke, Huy, das wäre wunderbar.« Sie lächelte. »Ich bin noch nicht müde. Ich möchte noch ein bisschen wie eine Königin behandelt werden.«
»Ich sorge dafür, dass sie sicher nach Hause kommt«, erklärte Thutmosis. Er stand auf und rief den Männern, die um das heruntergebrannte Feuer am Ufer saßen, einen Befehl zu. Ptahhotep und Ibi trugen die Sänfte über den Steg. Thutmosis umarmte Huy. »Wir haben noch Zeit füreinander, ehe ich wieder wegfahren muss. Morgen Abend müsst ihr beide wieder mit mir essen. Ich habe genügend Vorräte.« Er grinste reumütig. »Ich glaube, Vater hat gehofft, dass ich den König nach Retenu begleite, aber ich möchte nicht zu lange unter den königlichen Augen sein. Schlaf gut, lieber Huy. Du hast heute triumphiert.«
Nachdem Huy die Sänftenträger vor seinem Haus entlassen hatte, lag die Straße dunkel und verlassen da. Selbst das Bierhaus war schon geschlossen. In seiner Wohnung war es kalt und roch unangenehm nach altem Lampenöl und verdorbenem Fisch. Er fühlte sich leer, als hätte irgendetwas die ganze Kraft aus seinem Körper gesaugt, und schon das Ausziehen der Sandalen und des Schurzes bedeutete eine Anstrengung. Er legte sich ins Bett und zog die Decke über seine Schultern. Die Laken waren klamm und kalt auf seiner Haut. Er rollte sich zusammen und schloss die Augen. Ich bin einsam. Deshalb geht es mir schlecht. Ich habe Thutmosis mehr vermisst, als ich gedacht hatte. Ihn wiederzusehen, hat eine Wunde in mir aufgerissen, und die Befürchtung, dass Ischat mich verlassen könnte, hat Salz hineingerieben. Er schlief zwar
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