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Der Seher

Der Seher

Titel: Der Seher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Ereignisse höchstwahrscheinlich stattfinden werden. Die Transiter, so kam es mir vor, bemühten sich um die Abschaffung solcher Wahrscheinlichkeit: Über einer Flamme Eistee herzustellen, war ihr Ziel.
    Nach Hause zu kommen, wurde zu einem Abenteuer.
    Eines Tages waren die Möbel umgestellt. Alles. All die sorgsam berechneten Effekte waren zerstört. Drei Tage später fand ich die Möbel wieder in einer neuen, noch plumperen Aufstellung. Beide Male sagte ich nichts dazu, und ungefähr nach einer Woche ordnete Sundara alles wieder so, wie es zuvor gewesen war.
    Sundara färbte ihr Haar rot. Der Effekt war schauerlich.
    Sechs Tage lang hatte sie eine weiße, schielende Katze bei sich.
    Sie bat mich, sie zu einer Dienstagabendsitzung zu begleiten, und ich erklärte mich einverstanden, aber eine Stunde, bevor wir aufbrechen wollten, sagte sie mir ab und ging ohne mich – eine Erklärung gab sie nicht.
    Sie war in den Händen der Apostel des Chaos. Liebe zeugt Geduld; daher hatte ich Geduld mit ihr. Auf welche Weise sie auch ihren Kampf gegen den Stillstand ausfocht, ich war geduldig. Es geht vorüber, sagte ich mir. Es geht vorüber.

15
    Am 9. Mai 1999 träumte ich, zwischen vier und fünf Uhr in der Frühe, daß Staatskontrolleur der Finanzen Gilmartin von einem Exekutionskommando erschossen wurde.
    Ich kann Datum und Zeit so präzise angeben, weil der Traum so intensiv und lebensecht war und wie die Elf-Uhr-Nachrichten auf dem Bildschirm meines Geistes vorüberzog, daß er mich weckte und ich den Traum mit ein paar Stichworten auf meinem Nachttisch-Tonbandgerät festhielt. Schon vor langer Zeit habe ich gelernt, von Träumen solcher Intensität Notizen zu machen, da sie sich oft als Vorahnungen erweisen. In Träumen kommt die Wahrheit. Josephs Pharao träumte, er stünde an einem Fluß, aus dem sieben fette und sieben magere Kühe stiegen – vierzehn Omen. Calpurnia sah in der Nacht vor den Iden des März im Traum Blut aus der Statue ihres Mannes Cäsar spritzen. Abe Lincoln träumte, er höre das erstickte Schluchzen unsichtbarer Trauernder, und er sah sich, wie er die Treppe hinunterging und im East Room des Weißen Hauses einen Katafalk fand, eine Ehrenwache von Soldaten, einen Leichnam in Grabeshüllen auf der Bahre und eine Schar weinender Bürger. Wer ist tot im Weißen Haus? fragte der träumende Präsident, und man sagt ihm, der Tote sei der Präsident, von einem Attentäter niedergestreckt. Lange bevor Carvajal in mein Leben trat, wußte ich, daß die Ankertaue der Zukunft schwach sind, daß Eisschollen der Zeit losbrechen und über das große Meer zurück in unser schlafendes Gemüt treiben. So behandelte ich denn meinen Gilmartin-Traum achtsam.
    Ich sah ihn, einen großen Mann mit rundlichem Gesicht und kalten blauen Augen, wie er, feist, blaß und schwitzend, von einem Kommando finster blickender Soldaten in schwarzen Uniformen in einen nackten, staubigen Hof geschleppt wurde, in den wütendes Sonnenlicht scharfe, harte Schatten warf. Ich sah ihn, wie er an seinen Fesseln zerrte, schnaubend, sich windend, flehend, seine Unschuld beteuernd. Die Soldaten, die Schulter an Schulter stehen, ihre Gewehre heben; ein endloser Augenblick schweigsamen Zielens. Gilmartin, der klagt, betet, winselt, ganz zum Schluß noch einen Fetzen von Würde findet, sich aufrichtet, die Schultern breit macht, seine Mörder trotzig ansieht. Der Befehl, das Krachen der Gewehre, der Körper, der zuckt und sich schauderhaft krümmt, zu Boden sackt…
    Wie sollte ich diesen Traum verstehen? War es eine Ankündigung bevorstehender Schwierigkeiten für Gilmartin, der der Quinn-Verwaltung in Finanzdingen Schwierigkeiten gemacht hatte und den ich nicht mochte, oder war der Traum nur der Ausdruck meines Wunsches? Vielleicht ein Attentat, das auf ihn lauerte? Attentate waren in den frühen Neunzigern eine große Sache gewesen, mehr noch als in den blutigen Kennedy-Jahren, aber ich glaubte, sie seien wieder aus der Mode gekommen. Wer würde auch schon einen farblosen alten Gaul wie Gilmartin ermorden? Vielleicht handelte es sich um eine Vorahnung, daß Gilmartin bald auf natürliche Weise sterben würde? Allerdings brüstete er sich seiner guten Gesundheit. Ein Unfall? Oder vielleicht Tod nur im metaphorischen Sinne – eine Anklage, ein politischer Streit, ein Skandal, eine Amtsenthebung?
    Ich wußte nicht, wie ich meinen Traum interpretieren oder was ich damit machen sollte, und zuletzt beschloß ich, gar nichts zu tun. Und so verpaßten

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