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Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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vertraute. Noch nicht. Doch bald würde sie einsehen, was er sofort begriffen hatte, als er sie erblickte. Und als hätte sie plötzlich selbst die Tragweite ihrer Begegnung ermessen, lächelte sie ihn wieder an. Ein schüchternes Lächeln, als würde sie ihm etwas anvertrauen.
    »Ich heiße Linda. Linda heiße ich.«

 
    IHR ERSTER IMPULS war gewesen, ins Haus zu rasen und ihn mit allem, was sie wusste, zu konfrontieren. Ihn an die Wand zu stellen. Ihm die Wahrheit in die Kehle zu würgen und ihn dann zur Hölle zu schicken. Doch im nächsten Augenblick wurde ihr klar, dass er genau das wollte.
    Zur Hölle fahren.
    Plötzlich verstand sie, was er da zustande zu bringen versuchte. Im Park stehend, ihr besudeltes Heim direkt vor Augen, hatte sie seinen Plan wie einen Blitz aus heiterem Himmel durchschaut. Auf einmal war alles auf geradezu alberne Weise offensichtlich.
    Das feige Schwein versuchte noch einmal, die Verantwortung auf sie abzuwälzen. Noch einmal gedachte er sich hinter ihrer Tatkraft zu verstecken.
    Anstatt die Konsequenzen für sein Tun zu tragen und ausnahmsweise eine eigene Entscheidung zu fällen, wollte er sie dazu treiben, ihn zu verlassen. Wollte die Schuld abstreifen, damit er sich für alle Zeit dahinter verschanzen konnte, dass es ihr Entschluss gewesen war, sie diejenige, die sich scheiden lassen, die gehen wollte.
    Sie hatte nicht vor, es ihm so leicht zu machen. Wirklich nicht.
    Die Verachtung, die sie empfand, war nicht zu beschwichtigen.
    Nicht einmal mit seiner eigenen Untreue wurde er ohne sie fertig.
    Die Entschlossenheit erfüllte sie mit einer befreienden Ruhe. Sie hatte wieder die Kontrolle. Endlich wusste sie, was sie zu tun hatte.
    Nur eine einzige Sache musste sie bestätigt wissen, um das Ganze zu ertragen. Nur eine einzige.
    Nicht ein Wort hatte sie gesagt, bevor sie ging. Henrik und Axel spielten am Computer und hatten die Tür zum Arbeitszimmer geschlossen, er würde früh genug merken, dass sie fort war. Sie war mehr als zufrieden, ihn nicht sehen zu müssen. Noch war sie nicht sicher, ob es ihr gelingen würde, ihren Hass zu verbergen, aber sie hatte die Nacht vor sich, um genügend Kraft zu sammeln. Morgen würde er seine loyale Ehefrau zurückbekommen, sie brauchte nur erst jemanden, der ihr bestätigte, dass sie gut genug war.
    Sie schaute über den Järntorget. Auf dem Weg in die Innenstadt hatte sie nur angehalten, um sich einen Stärkungstropfen zu genehmigen, es war überhaupt lange her, seitdem sie zum letzten Mal ausgegangen war, aber alleine war sie wohl noch nie unterwegs gewesen. Immer eilig mit schlechtem Gewissen nach Hause. Bei der Arbeit, weil sie nicht zu Hause war, und zu Hause, weil sie nicht genügend arbeitete.
    Sie nahm den letzten Schluck aus dem Glas und drehte sich um. Das hier war definitiv nicht der richtige Ort für ihre Pläne. Zu Abend essende Paare und Gruppen, die vollauf mit sich beschäftigt waren. Nein, noch ein Cidre und dann weiter.
    Sie ging zum Tresen.
    Hinter sich hörte sie die Tür aufgehen. Der Barmann stand mit dem Rücken zu ihr ein Stück entfernt und füllte Erdnüsse nach. Sie drehte sich um und warf einen Blick auf den Mann, der soeben hereingekommen war. Nun stand er schräg vor ihr am kurzen Ende der Theke.
    Viel zu jung.
    Der Barmann kam zu ihr.
    »Einen Birnencidre, bitte.«
    Er verschwand in die Hocke und tauchte mit einer Flasche in der einen Hand wieder auf. Die andere streckte er nach einem Glas in dem Gestell über ihren Köpfen aus.
    »Achtundvierzig, bitte.«
    Sie hatte die Brieftasche in ihrer Handtasche bereits umfasst. Und dann plötzlich die überraschende Frage.
    »Darf ich Sie einladen?«
    Zuerst begriff sie gar nicht, dass er mit ihr sprach. Erstaunt sah sie den Mann schräg gegenüber am Tresen an. Sechsundzwanzig, siebenundzwanzig vielleicht, graue Jacke, helles zurückgekämmtes Haar, sah nicht schlecht aus.
    Warum nicht?
    »Klar.«
    Eine Sekunde lang glaubte sie, er habe vielleicht einen Witz gemacht, weil er einfach nur dastand und sie anlächelte. Dann zog er sein Portemonnaie aus der Innentasche.
    »Danke. Für mich auch so einen.«
    Er legte einen Hunderter auf den Tresen, und der Barmann holte ein neues Glas herunter. Sie schmunzelte in sich hinein. Er musste mehr als zehn Jahre jünger sein als sie, ein wenig Anziehungskraft war ihr also offenbar geblieben. Sie fragte sich, was die zu Hause wohl gerade machten. Ob Axel schon eingeschlafen war. Sie drängte den Gedanken zur Seite und versuchte zu

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