Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
Vom Netzwerk:
lächeln.
    »Vermutlich bin ich diejenige, die sich bedanken müsste.«
    Er hob sein Glas.
    »Nein, wirklich nicht. Ich habe zu danken. Also Prost.«
    »Prost.«
    »Und willkommen.«
    Es war etwas mit seinen Augen. Sein Blick war so durchdringend, dass sie sich beinahe genierte. Als könne er direkt in sie hineinsehen, all ihre Gedanken lesen, und die gedachte sie wahrlich mit niemandem zu teilen. Einen Moment lang bereute sie, dass sie ihm erlaubt hatte, sie einzuladen. Nun würde sie hier festsitzen, dabei hatte sie andere Pläne für heute Abend. Je schneller sie trank, desto besser. Sie nahm zwei große Schlucke.
    »Ich heiße Jonas.«
    Sie trank noch ein wenig mehr. All ihre Gedanken waren besetzt von dem Hass, den sie empfand. Sie konnte nicht hier stehen und so tun, als sei alles so wie immer.
    »Es ist nicht meine Art, Frauen, die ich nicht kenne, zum Cidre einzuladen, falls Sie das glauben. Nur Sie wollte ich einladen.«
    »Aha. Warum ausgerechnet mich?«
    Wieder sah er sie mit diesem Lächeln an. Vollkommen entwaffnend. Und dazu diese Augen, die geradewegs in sie eindrangen, als wollte er sie entlarven. Aber ihr Hass gehörte ihr, er durfte ihn nicht sehen, niemand durfte das. Hätte jemand ihren schändlichen Hass gesehen, wäre sie schwächer geworden. Sie musste lernen, so aufzutreten wie immer, sonst würde sie ihren Plan niemals durchführen können. Sie nahm noch einen Schluck.
    Mein Gott, er war bestimmt mehr als zehn Jahre jünger als sie. Völlig ungefährlich. Er war wie geschaffen dafür, dass man sich an ihm übte. Für eine Weile hatte er sie vergessen lassen, dass sie die Kontrolle hatte. Sein unverstelltes Interesse hatte sie verunsichert, obwohl es das eigentliche Ziel des Abends darstellte. Er stand ihr ja genau gegenüber und bot ihr alles an, was sie hier gesucht hatte. Plötzlich betrachtete sie ihn mit neuem Interesse. Er wollte sie, obwohl sie mindestens zehn Jahre älter war. Konnte es einen besseren Beweis geben?
    Sie lächelte wieder.
    »Ich heiße Linda. Linda heiße ich.«
    Sie war selbst erstaunt über ihre Lüge. Und wie leicht es war, sie zu liefern. Eigentlich war es nicht einmal eine Lüge. Es war nicht die tüchtige Eva, die dort an der Bar stand, es war eine andere Frau. Eine Frau, die alles, woran sie glaubte, beiseite geschoben hatte und nun ohne jegliche Gewissensqualen ihr Ziel erreichen und sich nehmen wollte, was ihr gefiel, auch wenn es im Grunde jemand anderem gehörte.
    Eine Linda.
    »Hallo, Linda. Möchtest du noch einen Birnencidre?«
    Sie sah zu ihrer Überraschung, dass das Glas leer war. Im nächsten Moment wurde ihr bewusst, wie berauscht sie war. Alles war plötzlich weit weg, nur der Augenblick zählte. Ein ruhiger Augenblick, in dem nichts eine größere Rolle spielte. Nichts zu gewinnen, nichts zu verlieren. Sie hatte die ganze Nacht vor sich.
    »Klar. Warum nicht?«
    Er schien sich zu freuen und rief den Barmann heran.
    »Können wir noch einen haben?«
    Sie bekam ihr Glas, und sie setzten sich beide auf einen Barhocker, er mit ihr zugewandten Knien und sie mit den Armen auf der Theke. Der Barmann wechselte die Kassette und machte ein paar Tanzschritte, als ein altes Lied von Earth, Wind and Fire aus den Lautsprechern erschallte. Sie erinnerte sich nicht, wie es hieß. Nur, dass sie es immer auf Oberstufenpartys gespielt hatten.
    Sie saßen eine Weile schweigend da. Sie war nicht sicher, ob sie bleiben wollte, aber sie konnte ihm zumindest eine Chance geben. Er war wohl genauso gut wie jeder andere. Sie trank einen Schluck von dem Cidre und sah sich um. Inzwischen waren mehr Gäste gekommen. Eine Gruppe von Engländern im mittleren Alter trat ein. Im Spiegel gegenüber vom Tresen sah sie zwischen den Flaschen, dass der Mann, der Jonas hieß, sie immer noch anschaute.
    »Darf ich Ihnen ein Kompliment machen?«
    Sie wandte sich ihm zu und begegnete seinem intensiven Blick. Dieser Blick bewirkte, dass sie sitzen bleiben und seine unverstellte Bewunderung genießen wollte.
    »Natürlich, gerne.«
    »Es klingt vielleicht lächerlich, aber ich möchte es trotzdem sagen.«
    Plötzlich schien er sich zu genieren und sah eine Sekunde lang woanders hin, um ihr dann direkt in die Augen zu schauen.
    »Wissen Sie, dass Sie die Einzige hier drinnen sind, die richtig lebendig aussieht?«
    Sie lachte und nahm einen weiteren Schluck.
    »Oh, das ist ja allerhand. Das habe ich noch nie gehört.«
    Er war ernst geworden. Saß einfach stumm da und guckte sie an. In dem

Weitere Kostenlose Bücher