Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
Vom Netzwerk:
der Wanne und trocknete sich mit dem blauen Handtuch ab, das sie vor kurzem benutzt haben musste. Auf einmal wollte er weinen. Wie sollte er Anna jetzt berühren, da seine Hände voll waren mit einer anderen Frau?
    Mit Linda.
    Er wagte kaum, ihren Namen zu denken. Anna würde herausfinden, was geschehen war. Sie würde spüren, dass er sie hintergangen, es nicht geschafft hatte, sein Versprechen zu halten.
    Und was sollte er sagen, wenn Linda sich bei ihm meldete? Sie hatte nicht nach seiner Telefonnummer gefragt, aber sie wusste ja, wo er zu finden war. Er war hier im Badezimmer, aber all seine Sehnsucht weilte bei ihr.
    Er sank auf der Toilettenschüssel zusammen und legte den Kopf in seine Hände.
    Was er auch tat, er würde zwangsläufig eine von ihnen enttäuschen.
    Er musste ins Krankenhaus. Jetzt sofort musste er zu Anna fahren und geradestehen für das, was er getan hatte. Er musste sie bitten, ihm zu vergeben. Ohne ihre Vergebung konnte er nicht leben.
    Das Telefon klingelte. Er sah auf seine Armbanduhr. Zehn nach sieben. Nackt ging er zurück ins Zimmer. Das musste sie sein. Wer sonst würde so früh anrufen? Sie musste sich bei der Auskunft nach seiner Nummer erkundigt haben. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Doch wie sollte er der Versuchung widerstehen, ihre Stimme hören zu dürfen?
    Das Phantastischste daran war, dass er einfach nach dem fünften Klingelton ans Telefon gehen konnte. Er kam nicht länger an ihn heran. Sein gesamter Körper lächelte über diese Feststellung, als er den Hörer abnahm und antwortete.
    »Hallo, hier ist Jonas.«
    »Jonas, hier ist Björn Sahlstedt aus dem Karolinska. Es ist wohl das Beste, Sie machen sich auf den Weg zu uns. Jetzt sofort.«

 
    ALS SIE DIE Eingangstür durchquert hatte, war es zehn nach vier, und sie wusste nicht, wo sie war. Das Taxi war von Gamla Stan aus in Richtung Süden gefahren und am Gullmarsplan rechts abgebogen, daran erinnerte sie sich, doch dann hatte sie die Orientierung verloren. Sie drehte sich um. Rechts von der Haustür war ein Straßenschild, und sie machte ein paar Schritte, um im Dunkeln lesen zu können, was darauf stand. Storsjövägen. Sie befand sich an einem Wendehammer und begann, die Straße hinunterzugehen. Die Fassaden der Häuser waren dunkel von all den blanken schwarzen Fensterscheiben. Nur vereinzelte Lampen leuchteten.
    Sie war dankbar, dass er nicht aufgewacht war, als sie sich aus dem Bett erhoben hatte. Sie hatte bestimmt eine Stunde lang still dagelegen und so getan, als schliefe sie, bevor seine ruhigen Atemzüge ihr versichert hatten, dass er eingeschlafen war. Erst da hatte sie gewagt, die Augen zu öffnen. Ein kombiniertes Wohn- und Schlafzimmer, seltsam leer. Vielleicht wohnte er hier bloß vorübergehend. Nur die Wände verrieten das Gegenteil. Eine große Anzahl von Ölmalereien in verschiedenen Größen, alle mit abstrakten Mustern in kräftigen Farben, bedeckte fast jeden Zentimeter.
    Er war mit dem Mund an ihrer linken Schulter eingeschlafen. Es war empfindlich kalt in der Wohnung. Vorsichtig, damit er nicht aufwachte, hatte sie sich ihm behutsam entzogen, war aufgestanden und hatte ihre Kleider zusammengerafft, die auf dem Fußboden lagen.
    In seinem Badezimmerspiegel hatte sie eine fremde Frau gesehen. Eine Frau, die einen Fünfundzwanzigjährigen angemacht, zu seiner Wohnung begleitet und mit ihm geschlafen hatte. Sie konnte noch immer nicht entscheiden, ob die Wirkung, die es auf sie hatte, der von ihr beabsichtigten entsprach. Alles war verschlossen.
    Als sie die Treppen zu seiner Wohnung hinaufstiegen, war sie nervös geworden. Der Mut des Rausches war verschwunden, und einen Moment lang wäre sie lieber gegangen. Aber dann ließ sie das Bild von Henrik und Linda vor ihrem inneren Auge erscheinen, und ihre Füße setzten den Weg über die Türschwelle fort. Schon im Wohnungsflur drückte sie sich an ihn, um ihre Unsicherheit zu verbergen, und seine Begierde war so stark gewesen, dass sie es kaum schafften, die Kleider abzustreifen. Seine unschlüssigen Hände waren über ihren Körper geirrt, und es war ihr blitzartig der Gedanke gekommen, dass er vielleicht noch unschuldig war, doch sie hatte ihr Bestes gegeben, um ihm Selbstvertrauen zu verleihen und so zu tun, als genieße sie seine täppischen Versuche.
    Die Straße endete an einer Kreuzung. Sie nahm ihr Handy und rief sich ein Taxi. Er hieß Jonas, und an der Tür hatte Hansson gestanden. Das war alles, was sie wusste, und mehr wollte sie auch

Weitere Kostenlose Bücher