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Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Gelegenheit gewartet, auf den Moment, in dem ihn ihre Rache am härtesten treffen würde. Sie hatte ihn für immer verlassen und den Zeitpunkt sorgsam ausgewählt.
    Ihm würde niemals vergeben werden. Das war ihre Strafe. Für den Rest seines Lebens würde er mit dem Wissen leben müssen, dass sie ihm sein Vergehen nie verziehen hatte. Er stand auf und betrachtete den leblosen Körper in dem Bett.
    So viel Zeit hatte er darauf verwendet, ihre Liebe zu gewinnen. Und zum Dank ließ sie ihn im Stich.
    Er hätte schwören können, dass er ein Lächeln auf ihren Lippen sah. Sie lag da und glaubte, gewonnen, sich gerächt zu haben. Als wenn alles, was er getan hatte, nicht ausgereicht hätte, um ihn von der Schuld zu erlösen.
    »Ich brauche dich nicht. Hörst du das, du verdammte Hure? Ich habe eine richtige Frau kennen gelernt, eine Frau, die mich liebt, weil ich so bin, wie ich bin, nicht wie du ... wie du ... für dich ist Liebe doch nur ein lockerer Zeitvertreib, mit dem man sich amüsiert, solange nichts Besseres passiert.«
    Seine plötzliche Wut pulsierte in ihm, und er rotzte die Worte aus sich heraus. Er musste sie dazu bringen, auf ihn zu reagieren, sie musste verstehen, dass sie keine Macht mehr über ihn hatte.
    Hinter ihm wurde die Tür geöffnet. Er drehte sich um. Dr. Sahlstedt war zurückgekommen, diesmal mit der Monsterpsychologin im Schlepptau. Sie blieben ruckartig im Zimmer stehen und sahen ihn abwartend an.
    »Wie geht es Ihnen?«
    Die Frau mit den bohrenden Augen sprach mit ihm. Sie trug denselben roten Pullover und dieselbe alberne Plastikkette wie am Tag zuvor. Die drei Neonstifte in der Brusttasche ließen ihn völlig ungerührt.
    Er grinste sie an.
    »Wissen Sie was? Diese Kette, die Sie da tragen. Wissen Sie, dass das die hässlichste, beschissenste Halskette ist, die ich jemals gesehen habe?«
    »Mein herzliches Beileid.«
    Er grinste wieder.
    Ach wirklich?
    Er wandte sich zum Nachttisch und blies die Kerze aus.
    »Sie hat, wie gesagt, einen Bruder irgendwo in Australien, aber wie sehr der trauert, kann ich nicht beurteilen. Bis jetzt hat er sich jedenfalls nicht blicken lassen. Andere Angehörige kenne ich nicht.«
    Dr. Sahlstedt ging das kurze Stück auf ihn zu und legte ihm noch einmal die unerwünschte Hand auf die Schulter.
    »Jonas. Wir verstehen, dass es wie ein Schock für Sie ist, aber ...«
    Er machte einen Schritt zurück, um sich der Berührung zu entziehen.
    »Macht mit der Leiche, was ihr wollt. Mit mir hat sie nichts mehr zu tun.«
    Die beiden anderen im Raum warfen sich einen kurzen Blick zu.
    »Jonas, wir müssen ...«
    »Ich muss gar nichts. Ihr wolltet doch, dass ich loslasse und weitergehe. Bitte sehr.«
    Ohne den Leichnam im Bett anzusehen, machte er eine ausladende Geste in seine Richtung.
    »Macht, was ihr wollt, verdammt nochmal.«
    Er ging zur Tür. Er hatte das Gefühl zu schweben. Als ob die Füße den Kunststoffboden nicht berührten, auf dem sie gingen.
    »Jonas! Warten Sie!«
    Sie konnten ihn nicht aufhalten. Nichts konnte ihn aufhalten. Er würde von hier verschwinden und nie zurückkehren. Er würde die Erinnerung an all die Minuten, Stunden und Tage ausradieren, die er auf seine verzehrende Sehnsucht verschwendet hatte.
    Dort draußen wartete das Leben.
    Mit ihrer raffinierten Rache hatte sie lediglich erreicht, dass er wieder frei war.
    Die Schuld war beglichen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ein Vergehen quittiert mit einem anderen. Er war frei.
    Nun gehörte er nur noch ihr.
    Nun brauchte er nur noch nach Hause zu gehen und auf ihren Anruf zu warten.

 
    VIELLEICHT HATTE SIE ein paar Stunden geschlafen, als der Radiowecker ansprang, sie wusste es nicht. Die frühen Morgenstunden hatte sie im Dämmerschlaf zugebracht, etwas in ihr verbot ihr, fest einzuschlafen, sie musste auf der Hut sein. Im Schlaf war sie wehrlos.
    Sie streckte den Arm aus und schaltete den Wecker aus, stand auf und zog sich den Morgenmantel über. Er lag am anderen Ende des Doppelbetts, unbeweglich und mit geschlossenen Augen, ob er schlief oder nicht, war nicht zu erkennen. Der Widerwille, den sie empfand, machte sie hellwach. Die Müdigkeit konnte ihr nichts anhaben.
    Nichts konnte ihr etwas anhaben.
    Sie beugte sich vor und schob ihre Hände unter Axels schlafenden Körper. Vorsichtig nahm sie ihn hoch, trug ihn aus dem Zimmer und machte die Schlafzimmertür zu.
    Dann sank sie auf das Sofa im Wohnzimmer und betrachtete sein schlafendes Gesicht. So unschuldig. Sie schloss die Augen und

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