Der Seitensprung
gesagt hast, dass ich vielleicht für ein paar Tage verreisen könnte.«
Sie beschloss, schweigend dazusitzen. Nahm Axels Messer und half ihm, das wabbelige Rührei zu einem leicht angreifbaren Hügel zusammenzuschieben.
»Wenn du einverstanden bist, fahre ich Montag früh weg. Nur für ein paar Tage.«
»Klar. Wohin willst du denn?«
»Ich weiß nicht genau. Ich nehme das Auto und fahre einfach los.«
»Allein?«
»Ja.«
Grundkurs A: Um erfolgreich zu lügen, beantworte eine Frage nicht zu schnell. Du Idiot. Sie stand auf und räumte die Teller ab.
»Du weißt, dass heute Abend die Elternversammlung im Kindergarten ist? Ich wollte meine Eltern fragen, ob ich Axel zu ihnen bringen darf, damit wir beide hingehen können.«
Sie sah, dass er schluckte.
»Ich habe mit Kerstin geredet. Linda ist offenbar völlig außer sich, die Ärmste. Sie beteuert, dass sie diese E-Mails nicht verschickt hat.«
Er nahm sein Wasserglas und trank, während sie weitersprach.
»Weißt du, wie so etwas funktioniert? Kann denn wirklich jemand anders ihre E-Mail-Adresse benutzen?«
Er stand auf und räumte sein Glas in die Spülmaschine.
»Offensichtlich.«
Damit hatte er anscheinend alles ausgesprochen, was er hatte sagen wollen. Ihr wurde klar, dass sie jetzt sofort einhaken musste. Bevor er die zwölf Schritte hinter sich brachte.
»Aber wieso sollte ihr jemand das antun? Das erscheint mir ganz unglaublich, wegen so etwas kann sie doch ihren Job verlieren. Wenn sich jemand einen Scherz erlaubt hat, muss ich wirklich sagen, dass sie seltsame Freunde hat.«
Er wollte das Thema nicht länger diskutieren, das war deutlich zu erkennen. Die ersten sieben Schritte bis zur Freistatt waren bereits bewältigt.
Ihre Eltern boten an, Axel abzuholen, und der Gedanke, dass Henrik gezwungen sein würde, mit seinen Schwiegereltern eine Tasse Kaffee zu trinken, gefiel ihr. Sie backte einen Butterkuchen und deckte den Tisch im Wohnzimmer, um das Treffen besonders feierlich zu gestalten.
Es dauerte eine Weile, bis Henrik sich zu ihnen gesellte. Solange es ging, blieb er hinter seiner geschlossenen Tür sitzen, und als er endlich kam, war sein Kaffee bereits kalt. Er verschwand in der Küche, um seine Tasse auszukippen, und setzte sich dann zu ihnen.
»Da kann man wohl gratulieren.«
Ihr Vater hatte Axel auf dem Schoß.
»Eva hat mir erzählt, dass du eine große Artikelserie für irgendeine Zeitung schreiben sollst.«
Ausdruckslos sah Henrik seinen Schwiegervater an.
»Na, was ihr kürzlich gefeiert habt«, fuhr ihr Vater erläuternd fort.
Henrik warf Eva einen Blick zu. Sie hatte nicht vor, ihm zu helfen.
»Ach ja, das. Hm.«
»Um welche Zeitung geht es denn?«
»Äh, irgendeine neue Zeitung. Ich weiß gar nicht, wie sie heißt.«
Und damit war das Thema beendet. Henrik trank schweigend seinen Kaffee, und ihre Eltern gaben ihr Bestes, um die Unterhaltung in Gang zu halten. Sie selbst stierte vor sich hin und dachte über die Situation nach. Vielleicht war es das letzte Mal, dass sie hier alle zusammensaßen.
Das letzte Mal.
Bald musste sie es ihnen erzählen, mit ihnen über Geld sprechen. Sie brauchte ihre Hilfe, wenn sie ihn aus dem Haus werfen wollte.
Aber noch war es nicht an der Zeit.
»Na, dann fahren wir vielleicht wieder nach Hause?«
Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Sie merkte, dass es eine ganze Weile vollkommen still am Tisch gewesen war, und als sie aufschaute, bemerkte sie den prüfenden Blick ihrer Mutter. Der Stuhl ihres Vaters schabte über den Boden, als er sich erhob.
»Was meinst du, Axel, kommst du mit zu uns, während Mama und Papa zur Elternversammlung gehen?«
Eva sammelte die Kaffeetassen ein.
»Axel, wenn du etwas mitnehmen möchtest zu Oma und Opa, dann geh es jetzt holen. Nimm den Rucksack, wenn du willst.«
Sie nahm den Teller mit dem Butterkuchen, außer Axel hatte niemand davon gegessen, und trug ihn in die Küche.
Sie hörte, wie Henrik die Gelegenheit wieder zur Flucht nutzte.
»Dann geh ich wohl noch ein bisschen arbeiten. Tschüss, Axel.«
Er passierte die Küche, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Bis zu dem abendlichen Treffen blieben ihr noch ein paar Stunden. Sie setzte sich mit einem der Papierstöße von der Küchenbank an den Esstisch. Unsortierte Post, vor allem Fensterkuverts, das meiste für Henrik. Er hatte vor langer Zeit aufgehört, seine Post selbst zu öffnen. Aus Angst, die Briefe könnten zu lange liegen bleiben, sodass ihnen womöglich eine
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