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Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Rechnung entging, hatte sie angefangen, es für ihn zu tun. Keiner von ihnen hatte es jemals kommentiert. Wie so viele andere Dinge. Sie hätte es nie gewagt, die Kontrolle über die Rechnungen aus der Hand zu geben, weil sie fest davon überzeugt war, dass er keine einzige pünktlich bezahlen würde. Wie sollte er, wenn er nicht einmal seine eigene Post öffnete? Trotzdem wünschte sie heimlich, er übernähme mehr Verantwortung dafür, dass sie bezahlt wurden. Hätte mehr Verantwortung übernommen.
    Das Problem wäre wie so viele andere bald aus der Welt.
    Sie sah sich um. So viel Mühe hatte sie sich gemacht, so viel Energie investiert. Der alte Klapptisch, in wie vielen Antiquitätengeschäften hatte sie herumgestöbert, bevor sie genau den gefunden hatte, den sie haben wollte? Der Krug auf dem Fußboden, den sie aus einem Urlaub in Marokko mitgeschleppt hatte, der ihr plötzlich so wahnsinnig viel bedeutete, dass sie sogar eine zusätzliche Gebühr zahlte, weil das Gepäck zu schwer geworden war. Das Bild aus ihrem Elternhaus, die Stühle, die ein Vermögen gekostet hatten, die Dosen im Küchenregal, die nie benutzt wurden und nur dort standen, weil sie es gemütlicher machten. Alles plötzlich entstellt. Als hätten sich die vertrauten Gegenstände verwandelt, und sie sähe sie zum ersten Mal. Nichts von dem, was sie umgab, berührte sie mehr. Sie konnte sich nicht einmal mehr an das Gefühl erinnern, als sie ihr noch etwas bedeutet hatten. Alles, was selbstverständlich für sie gewesen war, ihre Ansichten, alles, was sie berührt hatte, ihr wichtig gewesen war, nichts stimmte mehr. Als ließe eine optische Linse, durch die nur sie sah, alles plötzlich anders erscheinen. Nur damit sie begriff, wie sinnlos alles war. Sie war vollkommen allein in einer eigenen Welt gleich neben der gewohnten. Und trotzdem saß sie dort und zahlte Rechnungen an die Welt da draußen.
    Die Tür zum Arbeitszimmer öffnete sich. Er ging ins Wohnzimmer, kehrte aber bald zurück, hob ein Spielzeug vom Boden auf, legte es auf die Küchenbank und verschwand wieder im Arbeitszimmer.
    Sie blätterte eine Broschüre von der Kommune durch, legte sie auf den Stapel für die Altpapiersammlung und öffnete den nächsten Umschlag.
    Dann kam er wieder heraus, drehte scheinbar ohne Grund noch eine Runde, und als es nur wenige Minuten später zum dritten Mal passierte, konnte sie nicht länger an sich halten.
    »Was treibt dich denn um?«
    Sie riss die Folie von dem Umschlag und legte den Rest auf den Altpapierhaufen. Vielleicht hatte er verstanden: Geh sofort in dein Arbeitszimmer, und lass dich nicht mehr blicken, bis wir zu dem Treffen gehen! Denn genau das tat er.
    Aber vielleicht wäre es auch zu viel verlangt gewesen, dass er ihre Frage beantwortete.
    Dann war es endlich so weit. Sie war in ungewöhnlich heiterer Stimmung, als wären sie zu einem lang ersehnten Fest unterwegs.
    Er fuhr, und sie saß neben ihm auf dem Beifahrersitz des Golfs, denn der war günstiger geparkt, als sie sich auf den Weg machten. Er sollte ihn in Gottes Namen mitnehmen, der Saab gehörte ihr und wurde von der Firma finanziert.
    »Tut mir übrigens Leid, dass du meinetwegen Vater anlügen musstest. Wegen des Auftrags. Das war keine Absicht.«
    Er antwortete nicht. Den Blick stur geradeaus, und die Finger trommelten aufs Lenkrad.
    Sie fuhr fort.
    »Ich hatte einfach keine Lust zu erzählen, was am Donnerstag los war, als Axel bei ihnen übernachtet hat. Dass wir beide, du und ich, ein bisschen Zeit für uns brauchten.«
    Diesmal brachte er eine Art von Laut hervor, kein Wort oder dergleichen, eher ein Grunzen. Sie lächelte ein bisschen ins Dunkel hinein und legte vertraulich die Hand über seine auf dem Schaltknüppel.
    »Ich wusste gar nicht, dass du so gut lügen kannst.«
    Im Spielzimmer drängten sich die Eltern, die sich hellblaue Plastikpantoffeln über die Schuhe gezogen hatten. Stühle waren in unregelmäßiger Ordnung auf dem grünen Boden verteilt worden, aber die meisten Mütter und Väter standen in Grüppchen zusammen und redeten leise. Weder Kerstin noch Linda waren zu sehen. Henrik setzte sich auf einen Stuhl nahe der Tür. Seine Finger trommelten nervös auf die Sitzfläche.
    Eva ging zu Jakobs Mutter und sah sich um.
    »Scheint, als fänden die meisten die Idee mit dem Treffen gut.«
    Annika Ekberg nickte.
    »Ja. Danke für die Hilfe.«
    »Das war doch eine Kleinigkeit.«
    Das Gemurmel verstummte, als Kerstin in der Tür erschien. Niemand im Raum

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