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Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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wurde und von dem noch immer keine Spur zu sehen war. Gemächlich ging er noch einmal an dem Briefkasten mit ihren Namen vorbei. Er sah ein, dass er nicht stehen bleiben konnte, ohne womöglich Aufmerksamkeit zu erregen, und spazierte deshalb zurück zu der Straße, in der er seinen Wagen abgestellt hatte. Jetzt fror er wirklich, und als er beim Auto angekommen war, drehte er die Heizung voll auf.
    Es war wenig verführerisch, zurück zur Wohnung zu fahren, ein Magnet schien ihn zu dem gelben Haus mit den weißen Schnitzereien zu ziehen. Er legte den ersten Gang ein und erlaubte dem Kräftefeld, ihn anzuziehen, fuhr im Schritttempo die kurze Strecke um das Viertel und war wieder da. Dort drinnen befand sie sich. Und der andere, der gut genug war.
    In dem Moment, als er am Briefkasten vorbeifuhr, wurde die Haustür geöffnet.
    Und da stand er.
    Der Fuß bremste, ohne dass das Gehirn ihn darum gebeten hätte, der Mann vor der Haustür schloss hinter sich ab und guckte neugierig in seine Richtung. Jonas wandte das Gesicht ab, er hätte gern genauer hingeschaut, aber er wollte nicht gesehen werden. Nicht jetzt. Noch nicht.
    Hundert Meter weiter war ein Wendeplatz. Als er auf dem Rückweg wieder am Haus vorbeikam, hatte sein Intimfeind sich in den Golf gesetzt und wollte gerade rückwärts aus der Einfahrt herausfahren. Jonas verlangsamte die Fahrt und ließ ihn vor. Eine Hand im Gegenlicht der Windschutzscheibe dankte ihm, Jonas nickte kurz zurück.
    Bitte sehr, gern geschehen. Deine Frau habe ich auch gefickt.
    Er folgte ihm in angemessenem Abstand. Von den unregelmäßigen Sträßchen der Einfamilienhausgegend bis zur Autobahn in die Innenstadt. Immer einige Wagen zwischen ihnen in der Spur, niemand sollte wissen, dass er da war, überwachte, kontrollierte und herrschte. Ruhe erfüllte ihn. Der Zwang war weit weg. Nach Danvikstull bogen sie links ab zu dem Neubaugebiet in Norra Hammarbyhamnen, die Erste rechts und dann wieder rechts. Diesen Teil von Söder-malm kannte er, dort hatte er vor ein paar Jahren eine Woche Vertretung gemacht, als die ganze Stadt von einer Grippewelle erfasst worden war. Der Wagen vor ihm bog rechts ab in die Duvnäsgatan und verschwand für einen Augenblick aus seiner Sichtweite. Jonas bremste, als er ihn zwanzig Meter weiter einparken sah, fuhr aber weiter, stellte das Auto ab und stieg aus. Zu Fuß bog er um die Ecke zur Duvnäsgatan, und im selben Moment öffnete sich die Fahrertür des anderen. Ein blonde Frau in seinem eigenen Alter, vielleicht einige Jahre älter, kam aus einem Hauseingang zehn Meter entfernt. Jonas zog sich die Kapuze über den Kopf, ging auf der anderen Straßenseite bergauf und blieb bei einem Schaufenster auf der Höhe des geparkten Golfs stehen. Im Spiegelbild in der Scheibe konnte er sie sehen, und seine Verblüffung hätte nicht größer sein können. Die Teile passten nicht mehr zueinander. Für die Dauer einer Sekunde fokussierten seine Augen plötzlich ein Schild hinter dem Schaufenster. »Zu vermieten.« Etwas anderes gab es in dem leeren Fenster nicht zu sehen. Aber das Spiegelbild war dafür umso aufschlussreicher. Die Frau, die soeben aus dem Hauseingang getreten war, und der Mann, der Henrik hieß und sein schönes Vorortzuhause verlassen hatte, standen nun eng zusammen auf der anderen Straßenseite. Vollkommen still und beinahe krampfhaft klammerten sie sich aneinander, ineinander, er hatte den Eindruck, sie liefen Gefahr umzufallen, falls einer von beiden losließe.
    Lange standen sie so. So lange, dass er vor dem leeren Schaufenster bald Aufmerksamkeit geweckt hätte, wenn sie überhaupt in der Lage waren, etwas außerhalb ihrer eigenen Glocke zu bemerken.
    Wer war dieser Mann? In dem Haus, das er gerade hinter sich gelassen hatte, wartete eine Frau, die alles darstellte, was ein Mann sich wünschen konnte. Trotzdem stand er auf der gegenüberliegenden Straßenseite und umarmte eine andere.
    Ohne sich umzudrehen, ging Jonas den Hügel hinab auf sein Auto zu. Er war jetzt verwirrt, fragte sich, was er gesehen hatte, ob alles so war, wie es schien. Mann und Frau, die ihre Lust woanders befriedigten, nicht miteinander.
    Pfui Teufel.
    Niemals.
    Wenn er jemals heiraten und ihn jemand wirklich lieben würde, weil er so war, wie er war, wenn ihn jemals jemand richtig ansähe, würde er nie wieder in eine andere Richtung schauen. Er würde all die Leidenschaft herauslassen, die in ihm steckte, und seine Frau zur Königin machen. Er würde sie anbeten, alles

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