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Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Titel: Der Serienmörder von Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David King
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würde er gleich in Ohnmacht fallen, und bot ihm witzelnd eine Kräftigungsspritze an.
    Petiot blickte in Richtung von Dupin und Gollety: „Meine Herren, ich stehe Ihnen ganz und gar zur Verfügung.“
    Wie in Frankreich üblich bot man Petiot eine letzte Zigarette und ein Glas Rum an. Er akzeptierte den Glimmstängel. Der Gefängnisgeistliche Abbé Berger wollte wissen, ob er beichten oder eine letzte Messe besuchen wolle. Petiot lehnte dankend ab, obwohl er kurz gezögert hatte, als man ihm gesagt hatte, dass es seine Frau erleichtern würde. Dann führte die Delegation Petiot den langen Korridor hinauf. Aus den anderen Zellen drangen laute, klopfende Geräusche in den Flur. Auf diese Art verabschiedeten sich die Mitgefangenen von dem Arzt. Nachdem sie den siebten Block verlassen hatten, begab sich der Zug in den fünften Block und stieg von dort aus die 39 Stufen zum sechsten hinab.
    Sie erreichten das Gefängnisbüro, in dem sich Petiot aus dem Melderegister des Gefängnisses austragen musste. Somit lag sein Schicksal nun in den Händen des Scharfrichters. Die Jalousien waren zugezogen, damit er das Todesinstrument nicht sehen konnte. Als Nächstes entfernte man die Handschellen und ersetzte sie durch ein Seil. „Nur bei einem Todesurteil zeigt sich der Unterschied von Mann zu Mann“, zitierte Petiot die Worte von Mathilde de la Mole in Stendhals Rot und Schwarz . „Niemand kann sich freikaufen.“
    Habe Petiot noch etwas zu sagen oder ein Geständnis abzulegen? „Nein“, antwortete er. „Ich bin ein Reisender, der seine ganze Last mitnimmt.“
    Nachdem man ihn den Nacken rasiert hatte, fesselte Desfourneaux die Arme des Arztes an den Handgelenken und an den Ellbogen. Sein Hemdkragen war zerrissen. „Was für eine Schande“, sagte Petiot. „So ein wunderschönes Hemd, das meine Frau so viel kostete. Ich glaube, es war ein Weihnachtsgeschenk.“ Obrecht, einem der Assistenten des Scharfrichters, zufolge, witzelte Petiot über plötzlichen Harndrang und bat darum, zu urinieren.
    „Zum ersten Mal in meinem Leben“, bemerkte Dr. Paul, „habe ich einen Mann beim Verlassen des Todestrakts gesehen, der vielleicht nicht freudig tanzte, aber eine vollkommene Ruhe ausstrahlte. Die meisten Verurteilten versuchen ihr Bestes, mutig zu wirken, doch man spürt am steifen und gezwungenen Verhalten, dass alles nur gespielt ist. Petiot bewegte sich mit Leichtigkeit, als ginge er aus seiner Praxis, um einen ganz normalen Hausbesuch zu machen.“
    Im Innenhof des Gefängnisses kündigte sich der Morgen mit einem fahlen Grau an. Petiot lächelte den Scharfrichter an und wandte sich an die in der Nähe harrende Delegation. „Meine Herren, ich möchte Ihnen noch einen letzten Ratschlag geben. Schauen Sie weg. Das wird kein schöner Anblick.“
    Man band Petiots Füße zusammen, fixierte ihn auf dem hölzernen Kipptisch und legte den Kopf in die untere Lünette. Dann löste der Scharfrichter das Gegengewicht. Um 5.05 Uhr rollte der Kopf mit einem dumpfen Knall in den Weidekorb.

DAS GEHEIMNIS ALLER GROSSEN REICHTÜMER … LIEGT IMMER IN EINEM VERGESSENEN VERBRECHEN, VERGESSEN, UND DARAN SOLLTE MAN SICH ERINNERN, WEIL ES SORGFÄLTIG DURCHGEFÜHRT WURDE.
    (Honoré de Balzac, Père Goriot )
    D ie goldene Uhr von „Jo, dem Boxer“, Joachim Guschinows Pelzmäntel, Lulus Smaragdring und der Profit, den die Fluchthilfeorganisation gemacht hat – alles Werte, die nur geschätzt werden können. Wie viel Gold, Silber, verschiedene Währungen, Diamanten, Smaragde, Siegelringe, Wertpapiere waren in die Kleidung eingenäht, in Schuhen versteckt oder in Koffern, in der Hoffnung auf ein neues Leben in Übersee? Zu dieser geschätzten Summe müssen noch die Zahlungen an Petiot gerechnet werden, die er den Menschen für gefälschte Papiere und die versprochene Führung durch zerklüftete Berge abgenommen hat, über Grenzen und dann zu einem Ozeanriesen mit dem Ziel Argentinien.
    In einigen Fällen haben ihm seine Kunden Wertgegenstände überlassen. Ilse Gang berichtete, wie Petiot die Möbel der Familie Wolff habe wegfahren lassen, Christiane Roart beschrieb die zahlreichen Versuche, sich des Besitzes der Knellers zu bemächtigen, und Raymond Vallée erinnerte sich an die befremdlichen Botschaften des angeblichen Dr. Braunberger, der darum gebeten hatte, seine Möbel fortzuschaffen. Möglicherweise hatte Petiot sogar eine prozentuale Beteiligung erhalten, wenn er die Kunden an Antiquitätenhändler vermittelt hatte, so wie es Joseph

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