Der Serienmörder von Paris (German Edition)
verführen versuchte, was allerdings auf schroffe Ablehnung stieß. „Stell dir mal vor, was sie wohl danach im Bett gesagt hätte“, entfachte Camus die Phantasie seines Freundes, des Autors Arthur Koestler.
In diesem Frühling sah man Sartre, Camus und Beauvoir oft im Restaurant Catalan an der Rue des Grands-Augustins, manchmal auch an einem Tisch mit ihrem neuen Freund Pablo Picasso. Trotz vieler Einladungen, ins nicht besetzte Ausland zu gehen, zog der Künstler sogar während der deutschen Besatzung den Aufenthalt in Paris vor, wo er in seinem zweistöckigen Studio im berühmten Künstlerviertel an der Rue Saint-Augustin malte. Der 62-jährige Picasso war ganz von seiner Arbeit eingenommen – und von Frauen, die ihn quasi umzingelten, darunter seine neueste Eroberung, die 22-jährige Malerin Françoise Gilot.
In den Augen der Nazis war Picasso ein hochverdächtigter Künstler. Er hatte während des Bürgerkriegs die spanische Republik unterstützt, für sie Geld gesammelt und mit seinem Werk Traum und L üge Francos, einer Sammlung von Bildtafeln und einem Gedicht, Karikaturen des Militärdiktators veröffentlicht. Er kommentierte den deutschen Luftangriff mit Feuerbomben auf die baskische Stadt Guernica am Nachmittag des 26. Aprils 1937 auf einer 27 Quadratmeter großen Leinwand und zog damit die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Tragödie. Das Monumentalgemälde trug als Titel den Namen der Stadt. Hitler ließ den Maler natürlich auf die Liste mit den Protagonisten der sogenannten entarteten Kunst setzen, woraufhin die Nazis alle seine Ausstellungen in Paris verboten.
Sogar die französische Polizei legte ein umfangreiches Dossier über den spanischen Maler an, das erst im Jahr 2003 entdeckt wurde, als Moskau 140 Pappkartons voller Dokumente an die französische Regierung übergab. Die Russen konfiszierten das Archiv 1945 von den Deutschen, die es nach der Besetzung von Paris 1940 an sich gerissen hatten. Wie die Historiker aus den Quellen erfuhren, beantragte Picasso 1940 die französische Staatsbürgerschaft, was man wegen des Verdachts ablehnte, er sei Anarchist oder Kommunist oder würde zumindest dementsprechende politische Sympathien hegen. „Er hat kein Recht auf eine Einbürgerung“, schrieb ein Beamter auf das Formblatt, „und sollte aus Gründen der nationalen Sicherheit sogar als verdächtig eingestuft werden.“
Picasso erzählte noch nicht einmal den engsten Freunden von dem Antrag. Allerdings offenbarte er seine Ängste. Picasso befürchtete, dass seine Aufenthaltsgenehmigung ablaufen könnte. Er wollte unter keinen Umständen in ein von Franco regiertes Spanien zurückkehren. Der Künstler hatte Glück, denn es schaltete sich schließlich ein mit ihm sympathisierender Polizeibeamter ein. Maurice Toesca schrieb im September 1943 in sein Tagebuch: „Hochgradig illegal. Ich habe seine Aufenthaltsgenehmigung um drei Jahre verlängert.“
Während der Besatzungszeit suchten die Deutschen Picasso häufig auf. Jedoch handelte es sich nicht – wie viele Gerüchte besagten – um SS-Männer, die angeblich seine Bilder mit Messern zerschlitzten, sondern um hochrangige Nazis, die seine Kunst liebten und schätzten. Leutnant Gerhard Heller vom Referat Literatur der Abteilung Propaganda zählte etwa zu den regelmäßigen Besuchern. Er hatte im Januar 1942 den Posten übernommen und beschäftigte sich vorrangig mit Zensur. Eines Tages machte er eine Pause und verließ das Büro an den Champs-Élysées, in dem sich Manuskripte in Regalen, auf Tischen und Stühlen und sogar auf dem Boden stapelten. Mit vor Aufregung klopfendem Herzen erklomm er die Wendeltreppe zu Picassos Studio, wobei er sich auf eine weitere Gelegenheit freute, das berüchtigte Beispiel für moderne „entartete“ Kunst bei der Arbeit zu beobachten.
Wie gewöhnlich experimentierte Picasso mit Farben, verschiedenen Materialien und Formen. Zusätzlich zu den Holzschnitten und Tuschezeichnungen malte er auf Pappe, Streichholzschächtelchen, Zigarettenschachteln und sogar Lebensmitteln wie Brot, was natürlich für seine kreative Bandbreite stand, aber auch aus der Not heraus geboren wurde, denn wegen des Kriegs herrschte ein frappierender Mangel an Leinwand. Viele Objekte der Bilder – Würste, Lammkeulen, große und prächtige Büfetttische oder auch ein leerer Kochtopf – reflektieren die vornehmlichen Gedanken und Schwierigkeiten, mit denen sich auch ein Künstler auseinandersetzen musste. Zeitweise erinnern die Bilder
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