Der Serienmörder von Paris (German Edition)
miteinander besprachen, da sie sich zwischenzeitlich um den Abwasch kümmerte. An einem Punkt glaubte sie die Worte „Verbrenn die Papiere!“ gehört zu haben.
Handelte es sich womöglich um den von Maurice zugegebenen Anruf? Massu ließ das Telefonat zurückverfolgen und erhielt Ende März die Bestätigung, dass der Anruf aus dem Pariser Bistro tatsächlich an Maurice gerichtet gewesen war. Maria Vic stand weiterhin zu ihrer Aussage, dass Dr. Petiot höchstselbst angerufen habe.
Nun weiteten die Ermittler die Befragung auf Louis und Emilie Bézayrie aus, die das Bistro von 1935 bis Dezember 1943 führten, wonach sie in die Rue de la Jonquière im 17. Arrondissement umzogen.
Louis Bézayrie kannte Petiot seit September oder Oktober 1940. Seine Frau war damals schwanger gewesen. Als ihr Arzt von den Deutschen verhaftet wurde, suchte sie Petiot auf eine Empfehlung hin auf. Er half der Frau bei der Geburt des Sohnes, und da das Baby oft krank war, suchte sie ihn regelmäßig auf. Petiot zählte zu den Stammgästen der Bézayries, wo er häufig große Mengen Kohle erwarb, denn während der Besatzung besserten viele Bistros ihr Einkommen durch den Verkauf von Brennstoffen auf. Bézayrie hatte den Arzt allerdings schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen und ihm seit September keine Kohlen mehr verkauft. Er war in jenem Monat mit dem Anhänger erschienen, um 300 Kilo abzutransportieren.
Die ehemaligen Besitzer hatten aber noch zusätzliche Informationen für die Ermittler. Louis Bézayrie gab einen Hinweis, der, wären ihm die Ermittler unverzüglich nachgegangen, möglicherweise zu einer frühzeitigen Ergreifung des Verdächtigen geführt hätte. Er schlug vor, den „alten Redouté“ zu befragen, einen Anstreicher Mitte 50, der häufig mit Petiot ein Glas getrunken hatte. Die französischen Behörden rechtfertigten die Ermittlungspanne später mit der fadenscheinigen Begründung, sie hätten geglaubt, es handle sich bei Redouté um einen Vornamen. Somit hätten sie ihn auch nicht ermitteln können.
Petiot hatte sich tatsächlich in Georges Redoutés kleinem Appartement in der Rue du Faubourg in Saint-Denis versteckt. Der exakte Termin der Ankunft wurde niemals zufriedenstellend geklärt, doch er traf mit Sicherheit zu Beginn der Fahndung dort ein. Redouté behauptete, dass es der 25. März 1944 gewesen sei, Petiot hingegen datierte den Tag des Eintreffens später auf den 12. oder 13. März. Der Polizei gelang es nicht, Petiots Fluchtweg bis zur Ankunft in Redoutés Appartement zu rekonstruieren – den Koffer in der Hand –, wo er sich als Résistance-Kämpfer auf der Flucht vor der Gestapo zu erkennen gab.
Natürlich hatte Redouté von den Mordvorwürfen gehört, die sich wie ein roter Faden durch alle Pariser Zeitungen zogen. Doch er glaubte Petiots Geschichten vom Kampf gegen die Besatzer und erlaubte ihm, sich in seiner Wohnung zu verstecken. Der Mordverdächtige schlief im Esszimmer auf einer auf dem Boden liegenden Matratze.
Während des Tages hielt sich der Arzt in der Wohnung versteckt, las Zeitungen, löste Kreuzworträtsel und lauschte heimlich den Übertragungen der BBC. Auch vertiefte er sich erneut in Detektivromane und entwickelte spezielle Würfel, um damit Wahrscheinlichkeitsrechnungen anzustellen, eine Aufgabe, die seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Natürlich verweigerte er anderen Personen den Zutritt zur Wohnung. Die Concierge Henriette Kraeber erinnerte sich an die Schwierigkeit, Petiot zu überzeugen, dass ein Klempner unbedingt in die Wohnung musste, um ein Leck zu reparieren. Redoutés Gast verließ die sicheren vier Wände nur, „um Lebensmittel und Bücher zu kaufen“. Die Abende verbrachte er, ein überzeugender Redner, damit, dem Gastgeber von seinen Aktivitäten bei der Résistance zu berichten.
Er ließ sich einen Bart wachsen und trug zur Tarnung häufig eine Sonnenbrille, was natürlich die Frage aufwarf, ob der Journalist von L’Oeuvre möglicherweise doch Recht gehabt hatte, als er darauf hinwies, den Flüchtigen in der Pariser Métro gesehen zu haben.
Nach stundenlangen Durchsuchungen in der Rue Le Sueur oder der Lektüre von Polizeiberichten unterbrach Massu die Arbeit oft für einen kurzen Spaziergang, auch wenn er ihn nur bis zum nahegelegenen Bistro führte. Auf dem Weg dorthin versuchte er sich vorzustellen, wie Petiot seine Opfer ermordete, sich der Leichen entledigte und mitten in Paris so lange unentdeckt bleiben konnte. Massu glaubte mittlerweile an
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