Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Injektionsnadel, durch die er Gift spritze. Wie Le Cri du Peuple meldete, versuchte die Polizei den Handwerker zu finden, der diese Apparatur in Petiots Auftrag angefertigt hatte.
Fotos des grinsenden Monsters mit den hypnotischen, stechenden Augen fanden sich regelmäßig auf den Titelseiten. Le Petit Parisien berichtete, dass Petiot eine „sadistische Freude empfand, wenn er die erbarmungswürdigen Lebensberichte der Patienten hörte“, die bei ihm einen Drogenentzug durchmachten, bevor er ihnen ein Rezept ausstellte. Dabei murmelte er – wie Paris-Soir anmerkte – oft obszöne Reime. Ein ehemaliger Mitschüler aus Auxerre erzählte einem Journalisten von A Matin , dass Petiot „der Teufel in menschlicher Gestalt“ gewesen sei. Der Absatz französischer Zeitungen steigerte sich immens, und sie erreichten schon bald die höchsten Auflagen seit Beginn der deutschen Besatzung.
Sensationsheischende Geschichten halfen der Polizei überhaupt nicht, während sie sich durch die verschiedenen Schichten vorarbeiteten, die das Mysterium der Morde umgab. Die Leser gaben den Beamten sehr bizarre Hinweise. Ein Medium behauptete, Petiot verstecke sich im Pariser Stadtteil Neuilly, entweder im Haus Nummer 4 oder 20 am Boulevard d’Inkermann oder der Nummer 2 oder 4 in der Rue de Chartres. Ein Rutengänger benutzte diesmal sein Pendel und eine Stadtkarte zum Aufspüren negativer Schwingungen und erklärte, Petiot sei nach Auxerre geflohen. Ein Hellseher hatte Visionen des toten Arztes, dessen Leiche angeblich vergiftet in der Nähe einer Landstraße in Yonne liege. Wiederum andere hielten einen Selbstmord für wahrscheinlich, möglicherweise durch Gift.
In einem kleinen Büchlein, das im März des Jahres in der Rue d’Enghien in Brüssel gedruckt wurde, entwickelte der Autor die Theorie, dass Petiot mit hoher Wahrscheinlichkeit schon bald durch die Hand von Drogenhändlern oder anderen finsteren Gestalten aus der Unterwelt umkommen werde, die Angst vor einem Verrat des Arztes hätten. Viele Polizeibeamte befürchteten ein ähnliches Verbrechen, nicht zuletzt Massu. „Falls Petiot immer noch am Leben ist, wird es nicht mehr lange dauern, bis wir ihn festnehmen“, meinte er. In der Zwischenzeit nahmen die Hinweise auf Petiot zu. 50.000 Concierges und unzählige Verkäufer und Verkäuferinnen würden die Augen auf der Suche nach dem Serienmörder Tag und Nacht offenhalten, sagte Maurice Toesca von der Polizeipräfektur voraus.
Die nicht vorhandenen Informationen zum Aufenthalt Petiots befeuerten die Gerüchteküche. Ein Zeuge hatte angeblich gesehen, wie der Arzt auf einem großen Pariser Platz Kindern Süßigkeiten schenkte, und ein anonymer Anrufer war der felsenfesten Meinung, ihn beim Betreten eines Gebäudes in einem nordwestlich von Asnières gelegenen Vorort gesehen zu haben. Ein Journalist des L’Oeuvre glaubte, dass er Petiot, mit einer Sonnenbrille und einem Hut getarnt, an einer Haltestelle der Métro entdeckt habe.
Petiot wurde eigentlich in ganz Paris gesehen – oder auch auf dem Weg nach Norden Richtung Brüssel, westlich nach Andorra bzw. in den Süden nach Marokko oder Algerien. Ein Mann in Orléans war sich sicher, ihn in seiner Gaststätte beherbergt zu haben. Der Arzt sei angeblich auf einem schwarzen Fahrrad angekommen, ganz außer Atem und gedankenverloren. Voller Neugierde habe er ihn zum Abendessen eingeladen. Petiot gab aber keine interessanten oder zusammenhängenden Informationen preis, sondern erkundigte sich nur, wo er ein Boot erwerben könne. Der Wirt war sich sicher, mit dem Vampir aus der Rue Le Sueur gespeist zu haben.
Meist stellte es eine schwierige Aufgabe dar, die nach dem Leichenfund zirkulierenden Geschichten entweder zu bestätigen oder zu widerlegen. Zum Beispiel waren sich zwei Frauen absolut sicher, Petiot im März an einem Bahnhof dabei gesehen zu haben, wie er eine Reise nach Anvers buchte. Während eine dem Verdächtigen folgte, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, eilte ihre Freundin zu einem nahegelegenen Kiosk, um Verstärkung zu holen. Eine regelrechte Menschenmenge begab sich anschließend auf die Jagd nach dem Kerl, fand jedoch lediglich heraus, dass es sich bei dem angeblichen Serienmörder um einen spanischen Kaufmann auf Geschäftsreise handelte. „Das ist jammerschade“, hörte man eine Frau sagen, „ich hätte ihn doch so gerne gesehen.“
Einige Pariser vertraten die Ansicht, dass man Petiot nicht fassen könne, weil er sich als Frau
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