Der Serienmörder von Paris (German Edition)
über die Künste bei einem Glas Tee zeigten sich die Wolffs von dem Arzt beeindruckt, der den Worten ihres Rechtsanwalts Jacques Bernays nach auf sie wirkte wie „ein kulturell gebildeter Mann mit einem beeindruckenden Wissen, dessen Großmut und Charakter seine Hingabe an das ehrenwerte Ziel der heimlichen Flucht in allen Belangen beweisen“. Dr. Eugène forderte die Familie auf, keine Papiere, Kleidungsstücke oder Gegenstände mitzubringen, die ihre Identität verraten könnten. Die Wertgegenstände sollten entweder in zwei Koffer gepackt oder in die Kleidung eingenäht werden. Maurice Wolff verbarg daraufhin einige Diamanten und andere Juwelen in den gepolsterten Schultern seines Jacketts. Das Risiko war sehr hoch. Ein einziger Fehler hätte den Worten des Arztes nach „12 Kugeln in meinem Körper“ bedeutet und für die Familie möglicherweise noch „viel Schlimmeres“.
Ende 1942 fuhr eine von Pferden gezogene Kutsche in die Einfahrt zu Kahans Gebäude. Der Kutscher, ein gebrechlicher Mann mit einem altmodischen Zylinder-ähnlichen Hut und einem weiten, einige Nummern zu großen Wintermantel, packte die Koffer auf den Wagen. Das Gespann verschwand dann in Richtung Place St. Augustine, passierte die Rue Boetie, die Champs-Élysées und dann den Place de L’Étoile. Nach einem Dreh auf der Avenue Foch bog die Kutsche in eine Seitenstraße und hielt vor der Fuhrwerkseinfahrt des Hauses Nummer 21, Rue Le Sueur. Die Wolffs betraten das Haus und hofften, so schnell wie möglich nach Südamerika zu reisen.
Innerhalb der nächsten drei Wochen folgten den Wolffs mit Hilfe von Dr. Eugène drei erst kurz zuvor in Paris angekommene Paare: Gilbert Basch (alias Baston), ein 28-jähriger ehemals leitender Angestellter einer Kosmetikfirma, und seine 24-jährige Frau Marie-Anne Servais Basch, ihre Eltern Chaïm Schonker, ein ehemals leitender Angestellter einer Parfümkette, und seine Frau Franciska Ehrenreich Schonker (alias Stevens und Eemens), die in Nizza lebten, sowie Marie-Annes Schwester Ludwika Holländer Arnsberg und ihr Mann Ludwig Israel Arnsberg (alias Schepers und Anspach). Im Januar 1943 hatte Kahan mindestens neun Personen (die ungefähr ein Dutzend Pseudonyme nutzten) zu Dr. Eugène geschickt. Alle waren reiche Juden. Keiner von ihnen tauchte jemals wieder auf. Niemand konnte mehr etwas von ihnen berichten.
Nicht lange, nachdem sie den Wolffs geholfen hatte, erschien eine Frau mit rötlich-blondem Haar und einer dunklen Sonnenbrille in Ilse Gangs Appartement, um sie über die sichere Ankunft der Familie in Südamerika zu informieren. Sie fragte Gang, ob sie ihnen mithilfe der Organisation folgen wolle. Ilse Gang lehnte ab.
IMMER DER GLEICHE HANDLUNGSABLAUF, IMMER DIE GLEICHE ABSICHT.
(Pierre Dupin, Oberstaatsanwalt)
W er war die Frau, die Dr. Petiot Ende 1942 / Anfang 1943 in nur 15 Tagen neun Juden vermittelte? In einem anonymen Brief an Kommissar Massu, aufgegeben in Auxerre und datiert auf den 26. März 1944, wurde die Behauptung aufgestellt, dass „Doktorin Iriane“ als Anwerberin für die Flucht aus Paris fungierte und darüber hinaus die doppelte Summe für jede von ihr vermittelte Frau erhielt.
Massu schickte Ermittler zur Befragung von Kahan. Als die Beamten ihr Appartement im vierten Stock der Rue Pasquier erreichten, einer Straße, die in die Rue des Mathurins übergeht, wo Raoul Fourrier den Friseursalon führte, konnten sie die Frau nirgendwo auffinden.
Einige Nachbarn sprachen mit der Polizei, jedoch kamen dabei keine neuen Informationen hinsichtlich möglicher Motive ans Tageslicht. Kahan hatte zeitweise gearbeitet und zwar als Masseurin, Sängerin und danach als medizinische Assistentin. Einige hielten sie für arm, andere glaubten, sie gehöre zur Bohème und genieße einen luxuriösen Lebensstil, mit Geld aus einer nicht näher bekannten Quelle.
Louise Nicholas, die sie seit ihrer Zeit als Barsängerin am Montmartre kannte, erzählte der Polizei, dass Kahan einen engen Freund bei der deutschen Armee habe. Dieser Mann, der 37-jährige Herbert Welsing, diente als junger Luftwaffenoffizier. Als er im April 1944 vorgeladen wurde, wusste er nicht viel zu berichten. Er gab vor, nicht zu wissen, dass Kahan Jüdin sei oder eine geheime Organisation unterstütze.
Kahans Vermieterin, Fernande Goux, hatte sie im Frühjahr 1942 in der nahegelegenen Georgette-Bar kennengelernt. Innerhalb weniger Monate bezog Kahan ein kleines Zweizimmer-Appartement im sechsten Stock des Gebäudes, von dem
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