Der Serienmörder von Paris (German Edition)
aus sie schon nach kurzer Zeit in die größere Wohnung im vierten Stock wechselte. Es muss ungefähr um den 20. März herum gewesen sein, als Kahan das Haus in einer Nacht- und Nebel-Aktion dann verließ.
Niemand wollte zugeben, etwas über ihren Aufenthaltsort zu wissen. Es gab auch keine Person, die eingestanden hätte, etwas über Kahans Arbeit für die angebliche Fluchthilfeorganisation zu wissen, denn eine solch illegale Aktivität konnte eventuell mit dem Tod bestraft werden.
Am 12. April stellten Massu und Battut eine Liste der möglichen Opfer von Dr. Petiot auf. Mittlerweile waren es 17:
1. Joachim Guschinow
2. Jean-Marc Van Bever
3. Marthe Fortin (Khaït)
4. Denise Hotin
5. Annette Basset, „Annette Petite“
6. Joseph Réocreux, „Jo, der Boxer“
7. Lina Braun (Wolff)
8. Rachel Marx (Wolff)
9. Maurice Wolff
10.Charles Lombard
11.Joséphine Grippay
12.Adrien Estébétéguy, „Der Baske“
13.Gisèle Rossmy
14.Joseph Piereschi, „Ze“
15.Yvan Dreyfus
16.Claudia Chamoux
17.François Albertini, „Der Korse“
Charles Lombard, Nummer 10 der Liste, wurde schon bald wieder gestrichen. Der 39-jährige Verbrecher, dafür berüchtigt, bei seinen Raubzügen in der Verkleidung eines Polizeibeamten zu erscheinen, war im März 1943 verschwunden. Seine Frau Marie befürchtete, dass auch er, wie sein Freund „Adrien, der Baske“ Dr. Petiot aufgesucht habe, um nach Buenos Aires zu flüchten. Die Polizei fand jedoch schnell heraus, dass Lombard noch lebte und Geschäften in der Unterwelt nachging. Nach dem Krieg tauchte er in Turin auf und versuchte, ein Schiff zu finden, um sich nach Südamerika abzusetzen.
Drei Opfer waren neu auf der Liste – die Familie Wolff, die Kahan an den Arzt vermittelt hatte. Die Polizei fand ihre Namen in einem Koffer von Neuhausens Dachboden. Innerhalb eines Monats standen sechs weitere Namen auf dem Papier. In einem Koffer fanden sich einige Rechnungen der Schlafwagenfirma Cook mit den Namen, oder genauer gesagt den Pseudonymen, der Familien Schonker und Arnsberg. Mittlerweile rechnete man mit 22 möglichen Opfern.
Im Mai 1944 bestimmten schnelle Frontverschiebungen im Osten und Süden die Schlagzeilen der Zeitungen. Nachdem die Rote Armee die Krim-Halbinsel innerhalb von sechs Tagen in einer verlustreichen Schlacht erobert hatte, bei der 110.000 Soldaten fielen und 24.000 gefangen genommen wurden, drangen die Sowjets in Rumänien ein. Durch den Militärschlag schützten sie die strategisch wichtige Hochebene mit dem für das Dritte Reich so wichtigen Ölvorkommen – den größten, das es in Europa gab. Nur ca. 200 Kilometer entfernt bombardierten 448 fliegende Festungen zuerst die Ölfelder von Ploesti und danach Bukarest. Überall schienen sich die Nazis – der kontrollierten Presse nach – auf einem „strategischen Rückzug“ zu befinden.
Während die Alliierten in Italien einmarschierten und Mussolini gefangen nahmen, sehnten die gleichzeitig ängstlichen und hoffnungsvollen Pariser die lang erwartete Invasion des besetzten Europa herbei. Winston Churchill beschrieb das Unternehmen als „die schwierigste und komplizierteste Operation aller Zeiten“. Am frühen Morgen des D-Day oder J-Jour, wie ihn die Franzosen nannten, also des 6. Juni 1944, bewegte sich ab 6.30 Uhr eine gewaltige Armada der Alliierten über den von einem Sturm aufgewühlten Ärmelkanal. 175.000 Soldaten, 11.000 Flugzeuge und 5.000 Schiffe waren an der größten je von See aus geführten Invasion der Geschichte beteiligt.
Eine Woche und Tausende von Toten später kämpften sich die Alliierten durch die von Hecken und Wallhecken bestimmte Landschaft der Normandie mit ihren überfluteten Äckern und Straßen, verteidigt von drei SS-Elite-Panzerdivisionen. Adolf Hitler setzte zur Vergeltung eine gegen London gerichtete neue „Wunderwaffe“ ein. Es war die für weite Distanzen konzipierte, ohne Piloten operierende und mit einem Verpuffungsstrahltriebwerk ausgerüstete V-1, eine fliegende Bombe. Sie trug einen mit 1.000 Kilogramm hochexplosiven Materials bestückten Sprengkopf und flog mit einer Geschwindigkeit von 700 Stundenkilometern, wogegen die alliierten Abfangjäger und Flugabwehrgeschütze nichts ausrichten konnten. Die V-1 (ugs. „Hell Hound“, „Fire Dragon“) hatte Ende des Sommers bereits 6.184 Menschen getötet und 75.000 Gebäude in Schutt und Asche gelegt. Die Generäle kamen zu der Einsicht, dass der Krieg noch einige Zeit wüten sollte.
Die Suche nach Petiot zog
Weitere Kostenlose Bücher