Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Machtergreifung von Adolf Hitler nach Paris geflohen und 1936 nach Amsterdam umgezogen.
Doch Amsterdam stellte sich nicht als der sichere Hafen heraus, als den man ihn historisch gesehen bezeichnen konnte. Nachdem die Nazis die Niederlande 1940 überrannt und die Rassengesetze 1942 verschärft hatten, entschied sich die deutsche Besatzungsmacht zu einer Kampagne des Terrors gegen die jüdische Gemeinde, was auf der Hand lag, denn in Amsterdam lebten besonders viele Juden. Es folgten Hausdurchsuchungen, ein brutales Zusammentreiben der Juden und schließlich die Deportation der Männer, Frauen und Kinder in die schlimmsten Konzentrationslager Westeuropas.
In den Niederlanden wurden 87 Prozent der 140.000 Juden verschleppt, im Vergleich dazu 25 Prozent in Frankreich.
Im Fall der Wolffs beschränkten sich die Nazis zuerst auf eine Konfiszierung des Familienunternehmens. Daraufhin verkaufte die Familie in Windeseile den Rest der Besitztümer zu einem Bruchteil des Wertes und floh 1942, um ihr Leben bangend.
Um dem feinmaschigen Netz der Nazis zu entkommen, legten sie sich den Namen Wolters zu. Einige Freunde halfen der Familie bei der Flucht (zuerst nach Belgien), darunter ein Zollbeamter, der sie in einem Kloster nähe Charleville versteckte. Der Rechtsanwalt Maître René Iung aus Rocroi unterstützte sie ebenfalls und bewahrte das Geld der Familie auf (ungefähr 300.000 Francs), eine Summe, deren Mitführen in von deutschen besetzten Territorien illegal war.
Als die Familie Wolff mit erneut geändertem Nachnamen, Walbert oder Valbert, Paris Anfang September 1942 erreichte, zogen sie in das Hôtel Helvetia an der Rue Tourneux. Dort hielten sie sich einige Tage auf und wechselten dann ins Hôtel du Danube an der Rue Jacob im Quartier Latin. Doch hier konnten sie nur kurze Zeit verweilen, denn die Deutschen beschlagnahmten das Hotel im Oktober 1942.
Gang sah sich nach einer sicheren Unterkunft für die Familie um, jedoch ohne Erfolg. Dann schlug ihr eine Freundin, die Zahnärztin Dr. Rachel Gingold aus der Rue Cambon 21, vor, eine ihrer Patientinnen aufzusuchen, eine in Rumänien geborene Jüdin, die schon bald die Aufmerksamkeit der Polizei, der Presse und der Öffentlichkeit erregen sollte. Es war Rudolphina Kahan oder „Eryane“, eine Kosmopolitin mit gefärbtem rötlich-blonden Haar, die mehrere Sprachen beherrschte, darunter Italienisch, Deutsch und Französisch. Sie ähnelte dem Empfinden eines Journalisten nach „einem Spion im Orientexpress“. Diese Frau gefunden zu haben, erschien wie eine glückliche Fügung inmitten des ganzen Unheils.
Später wurden die Details bekannt. Kahan hatte der Familie ein Zimmer in dem Appartementgebäude in der Rue Pasquier 10, in dem auch sie selbst wohnte, zur Verfügung gestellt und ihr von einem gewissen „Dr. Eugène“ erzählt, der Menschen die Flucht aus dem besetzten Paris ermögliche. Sie wusste von der Organisation, da sie Erkundigungen nach einer sicheren Fluchtmöglichkeit eingeholt hatte. Durch die Hilfe von Dr. Louis-Théophile Saint-Pierre, Kahans Arzt und wahrscheinlichem Geliebten, arrangierte man ein Treffen mit einem seiner Patienten, einem Zuhälter, der in verschiedenen Bars am Montmartre arbeitete, bekannt unter dem Namen Robert oder Henri le Marseillais (bürgerlicher Name Henri Guintrand). Dieser Mann stellte ihr den ehemaligen Schauspieler und jetzigen Vermittler Edmond Pintard vor.
Pintard traf sich mit Kahan in einem Café am Place de la Madeleine und führte sie zu einem nahegelegenen Friseursalon. Dr. Eugène tauchte zehn Minuten später auf und bot an, alle drei Familienmitglieder in die Freiheit zu führen, wobei er eine Ausnahme von der Regel der maximal drei Personen machte, möglicherweise aufgrund des Alters der Mutter. Als der Arzt erfuhr, dass Pintard schon einen Preis ausgehandelt hatte (und dabei die Summe willkürlich verdoppelte) schimpfte er den Visagisten aus und drohte mit dem Ende ihrer Geschäftsbeziehung. Im Fall von Kahan verhielt er sich jedoch ausgesprochen höflich. Offensichtlich überwältigt von ihrem Charme, tat er alles, um die Frau für die Organisation zu gewinnen. „Eine Frau wie Sie ist immer willkommen“, versuchte er sie angeblich zu überzeugen, bot ihr eine Kommission für die Fluchthilfe an und versprach darüber hinaus, ihr bei ihrer eigenen Flucht zu helfen.
Am folgenden Tag traf sich Dr. Eugène mit der Familie Wolff in einem Zimmer in Kahans Appartement-Gebäude. Nach einem angenehmen Gespräch
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