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Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)

Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)

Titel: Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Wesemann
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Wasser vom Mund, das ihm über die Lippen rann.
    „Und dann tat ich das Unsägliche. Einem Hofnarren gleich, dachte ich, dass ich ungestraft sagen könne, was mir über die Zunge kommt. Wie der Jokulator Georg, dem niemand etwas antut, weil man ihn für dumm und einfältig hält.
Tumbheit schützt vor dem Spaß, der den anderen droht.
Bei Sängern ist dem nicht so, Amadeus!“
    Seine Miene verfinsterte sich bei dem Gedanken an damals, und seine Zunge fuhr über das, was noch an Stümpfen und Zähnen in seinen Kiefern steckte.
    „Ich dachte, dass ich die Sinne des Grafen auf mich lenken kann. Ich dachte es wirklich.
Und ich tat es. Nur zu welchem Preis?“
    Ohne zu denken fuhr seine Hand über die linke Wange, dort wo mehrere Narben sein Gesicht zierten.
Sein Gesicht, das von den wenigen grauen Haaren umrahmt wurde, die ihm geblieben waren, war wie ein Zeugnis dessen, was er erzählte.
Man erkannte in den Narben die Spuren, die die Eisenfäustlinge hinterlassen hatten auf seiner Wange.
    „Ich begann mit tiefer Stimme auf raue Art zu singen. Fast krächzend wie ein Rabe, und der Graf lauschte auf. Ich sang weiter und verlor mich in meinem eigenen Gesang. Die Worte flossen aus mir, ohne Bedacht, und der Wein, den ich an diesem Abend hatte, um mir Mut zu machen, vernebelte mir die Sinne.
Ich sah den dummen Schorsch, wie er mit seinen Schellen wackelt und klingelte.
Oh, Amadeus. Der tumbe Georg ist bei weitem gerissener und verschlagener, als man denken mag.
Einfältigkeit kann man auch spielen, und er tut das meisterhaft.
In meinem Wein war ein Gift, das mich benommen machte. Ich kannte Wein, und kenn‘ ihn immer noch gut.
Aber dieser, der mich nach nur einem Becher fast umwarf, war vergiftet mit einem Kraut oder einem Zauber. Sonst wäre mir nie das zotige Lied über die Lippen gekommen, was ich so teuer bezahlt habe.“
    Wieder fuhr er mit der Hand über die Wange und starrte vor sich hin.
    „Ich fing an, immer neckischere Worte in mein Lied zu stecken. Immer anzüglicher und immer frivoler. Lustig und frivol. Wie es für ein ausgelassenes Fest passt.
So dachte ich. Ich Depp.
Dass man jede meiner Anspielungen auch auf Agnes, die Gemahlin des Grafen, münzen konnte, kam mir nicht in den Sinn.
Ich hatte die Aufmerksamkeit meines Herren. Oh ja, das hatte ich sehr wohl.
Als ich sang, der Graf würde ein Geweih tragen, mit dem er kaum mehr durch sein Tor reiten könnte, feuerten mich die Gäste an, und klatschten wild und laut.
Ich Trottel merkte nicht, wie ich mich um meine Stellung sang und um ein Haar auch um mein Leben; oder meine Zunge.
Selbst der Graf, dessen Blick kalt und steinern war, forderte mich auf, doch mehr zu singen.
Alle hatten ihren Spaß, nur ich; ich sah es nicht.
Heute weiß ich was damals geschah, doch seinerzeit, war ich blind und taub und dumm zugleich.
Dem Grafen lief das Fass dann über, als ich seine Gemahlin als umtriebige, immer geile Hure titulierte, deren Bett nie kalt war, wenn der Herr auf Reisen ging. Und ihn als Hurenbock, der sich nahm, was er wollte.“
    Er grinste leicht vor sich hin, als sänge er erneut sein Lied.
    „Nun, wenn ich’s recht bedenke, war es doch nicht so schlecht. Nur unpassend. Eher etwas für das Wirtshaus, statt ausgerechnet vor dem Grafen.
    Ihre statt nie kalt, wohl aus dem wald
die freier strömten immerzu
und wohl dem gold, war sie so hold
sie stapelts in der truh
die bei dem sünd’gen bette steht
in das kein herr sich heut mehr legt
denn der weilt in der ferne
nimmt sich dort, die dirne gerne“
    Er sprach die Worte leise, fast heimlich, aus. Und lächelte erneut dabei.
Aber als seine Gedanken weiterzogen, erstarb das Lächeln sofort.
    „Als mich eine der Wachen am Kragen packte, wurde ich gewahr, was ich getan hatte.
Ich sah in des Grafen purpurrotes Gesicht und erkannte nur Wut und Hass.
Der erste Schlag, den ich aufs Maul bekam, weckte mich endgültig auf. Ich spuckte Blut auf den Boden und sah den Grafen an.
Der tobte, man solle mir die Zunge rausschneiden und das auf der Stelle.
Eine zweite Wache zog ihren Dolch und die erste hieb mir erneut ins Gesicht. Dieses Mal wohlgezielt und mit viel mehr Kraft.
Ich weiß nicht, wie viele Zähne mich dieser zweite Schlag gekostet hat. Ich spuckte sie auf den Boden, kurz bevor ich den dritten Hieb einsteckte. Zwei links, einer rechts.
Ich werde es nie vergessen.
Fünf. Hört ihr? FÜNF Zähne waren mir geblieben nach dem letzten Schlag und die zweite Wache stand mit dem Dolch bereits neben mir und wollte mir

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