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Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)

Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)

Titel: Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Wesemann
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ausstreckte.“
     

044
     
    „Ich wusste es!“, rief Ellie laut in den Raum und erschrak über sich selbst.
„Ich wusste es. Die Pest. Es gab kein Entrinnen vor der Pest. Irgendwann musste sie das auch noch einholen.“
Es konnte ja nicht alles falsch sein, was sie in den Jahren des Studiums gelesen hatte. Und was auch in tausenden von Schriften in Europa, nachweislich niedergeschrieben worden war.
Nur war Elvira schmerzlich bewusst geworden, dass ihr diese Erkenntnis überhaupt nicht behagte.
Sie fühlte etwas, was sie unterschwellig die ganze Zeit des Lesens in sich gefühlt hatte, es aber nie auf den Punkt bringen konnte.
Sie fühlte Mitleid.
Mitleid mit den Menschen vor Ort und deren Schicksalen. Das ohnehin harte Leben dieser Zeit, in der die Versorgung mit dem Nötigsten einen großen Teil der eigenen Lebenszeit in Anspruch nahm, wurde noch härter durch den Tod, der in so vielfältiger Form nach ihnen griff.
Nicht nur dass Winter, Hunger, Räuberbanden und Kriege einem das Leben zu verkürzen wussten, hinzu kamen die Edlen, die ihren Stand teilweise auf übelste Art ausnutzten und sich selbst eine Lebensweise genehmigten, die sie dem niederen Volk absprachen.
Krankheiten, selbst ein entzündeter Zahn, konnten einen umbringen. Krankheiten die in heutiger Zeit nicht mal den Besuch im Krankenhaus erfordern würden, verliefen seinerzeit tödlich. Schmerzen waren Ansichtssache und Strafen waren meist Leib- oder Ehrenstrafen. Der offene Strafvollzug war noch nicht erfunden.
Abgetrennte Hände, verbrannte Glieder, Schandgeige oder Pranger waren üblich und keine Ausnahme.
Und nun, als wäre das nicht schon genug, schlichen die Wiederkehrer umher und trachteten den Menschen nach dem Fleisch.
Ständig auf der Flucht, ohne rechte Aussicht auf sichere Unterkunft. Schlafen, wenn man weiß, dass um einen herum die Untoten stolpern, und jede Minute der Nacht die letzte sein kann.
Das zehrt an der Substanz.
Psychisch wie physisch.
    „Da fehlte als Kirsche auf der Sahnehaube nur noch eine tödliche Infektionskrankheit mit hoher Ansteckungsrate und kurzer Inkubationszeit. Wunderbar“, sagte sie erneut laut in den Raum.
Ja, sie hatte Mitleid.
Obwohl es ihr auf der einen Seite überheblich vorkam, weil sie deren Lebensweise als bemitleidenswert ansah, war es doch so.
Hätte sie helfen können, was natürlich sechshundertfünzig Jahre rückwärts schlecht möglich ist, so hätte sie es getan.
So aber, blieb ihr nichts anderes, als zu lesen.
    „Mir blieb beinahe sofort der Kapaun im Halse stecken, und ich setzte mich zurück.
Wir alle starrten Johanna fassungslos an.
Sie war des Todes. Das war uns allen klar. Und Barbara war auch dem Sensenmann verschrieben.
Ihr Husten klang genauso wie Johannas.
Anna und die Zwillinge sprangen auf, als hätte sie etwas gezwickt und sie drängten sich zur Tür.
Adelheid aß unbekümmert weiter und würdigte die Todgeweihte nur eines kurzen Blickes.
Elisabeth, die Köchin aus Aldinroide, und Clara aus Eschmar waren wie versteinert. Sie hatten das Fleisch des Vogels noch in Händen und zwischen den Zähnen ohne zu kauen, und starrten die Frau an, die nicht aufhören konnte zu husten.
    Kuntz war der erste, der die Ruhe zurück gewann.
‚Bringt die Frau hier raus, bevor sie alles vollblutet. Holt auch die andere und schafft sie beide ins Lager, neben dem Marstall.
Dort wird man sich um sie kümmern.‘, ordnete er an und wandte sich an Leonhardt.
‚Ihr wisst, was das bedeutet, Leonhardt? Die beiden werden sterben. Und wir vermutlich auch. Allesamt.
Wie konntet ihr die Kranken hier herschleppen, seid ihr von Sinnen?‘
‚Weil sie bis dahin nicht krank waren, Kuntz. Sie waren munter und fidel, wie wir alle es waren.
Niemand von uns hatte irgendeine Art von Krankheitszeichen an sich, als wir hier ankamen.
Niemand.‘
    ‚Wir wissen nicht, wie sich die Pestis verbreitet. Das Einzige, das ich mit Gewissheit weiß, ist dass sie uns morden wird. Manche überleben die Krankheit, aber die meisten werden hingerafft.
Vielleicht sollten wir uns fern halten, so gut es geht. Ja, das sollten wir.‘
    ‚Heilkräuter nutzen nicht. Soviel ist mir bekannt‘, warf ich mein Wissen ein, das ich von den Italienern erhalten hatte.
‚Sie werden Beulen bekommen, oder sie schon haben‘, ergänzte ich. Und in diesem Augenblick fiel mir ein, dass wir die Frauen zuletzt in der Tongrube untersucht hatten. Das war bereits Wochen her und in Aldinroide wurden nur die angeschaut, die neu zu uns stießen. Wer weiß, wie

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