Der Sichelmoerder von Zons
Verfärbung angenommen. Irgendwie sah der Knochen nicht so aus, als ob er von einer Person stammte, die kürzlich Opfer eines Verbrechens geworden war, sondern eher wie der Knochen einer Mumie. Nur gut, dass sich der Beamte, welcher vor ein paar Tagen den Anruf des Liebespärchens in der Polizeidienststelle entgegengenommen hatte, am Ende doch von der jungen Medizinstudentin überzeugen ließ und die Knochen, trotz des großen Gelächters seiner Kollegen, zur Untersuchung ins Labor geschickt hatte. Die Geschichte sprach sich im Polizeirevier schnell herum und selbst Oliver hatte sich darüber lustig gemacht.
Wie viel Pech musste man haben, wenn man mitten im Liebesspiel mit seiner Freundin beim allerschönsten Sommerwetter ausgerechnet von einem harten Knochen gestört wird! Oliver erinnerte sich sehnsüchtig an sein Picknick mit Emily zurück. Am selben Tag, an dem das Unglückspärchen auf den Knochen gestoßen war, hatte er mit Emily einen herrlichen Nachmittag im Neusser Stadtpark verbracht.
Doch das Ergebnis des Laborberichtes änderte alles. Niemand amüsierte sich noch über das Fundstück. Es war der Rest eines männlichen Fußknochens und es war ziemlich sicher, dass dieser Fuß noch vor ein paar Wochen lebend durch diese Welt marschiert war. Der Knochen wies außerdem Spuren von Salzsäure auf. Dies war der Grund dafür, dass er nicht durch und durch hart, sondern an den verbliebenen Zehen elastisch war. Oliver nahm den Knochen in die Hand. Obwohl der Ventilator auf seinem Schreibtisch auf Hochtouren lief, war die Luft in seinem Büro stickig und heiß. Kleine Schweißperlen hatten sich überall auf Olivers Körper gebildet und in regelmäßigen Abständen wischte er sich unbewusst mit seinem linken Handrücken über die Stirn, um das lästige Jucken, welches die Tropfen beim Hinunterlaufen auf der Haut hinterließen, loszuwerden.
Vorsichtig bog er das Knochenende hin und her. Es fühlte sich ekelhaft an. Fast so, als würde man mit einem großen, wabbligen Gummibärchen spielen. Angewidert ließ Oliver den Knochen auf seinen Schreibtisch fallen und nahm stattdessen den Laborbericht in die Hand. Der Fuß war mit Salzsäure in Kontakt gekommen. Durch die Säure wurde die feste Knochenstruktur oder das Calciumphosphat des Knochens aufgelöst und übrig blieb nur noch Kollagen. Oliver erinnerte sich: Kollagen ist eine weiche und flexible Masse, die unter anderem auch zur Herstellung von Gelatine benutzt wird. Gelatine ist die Grundsubstanz eines jeden Gummibärchens! Oliver wurde ganz flau im Magen. Nun, er würde wohl so schnell keine mehr essen!
Die Bürotür flog mit einem kräftigen Schwung auf und schlug krachend gegen die Wand. Klaus stolperte über die Türschwelle. In seiner rechten Hand balancierte er vorsichtig einen vollen Kaffeebecher, aus dem sich in regelmäßigen Abständen ein dünner Schwall des heißen und schwarzen Gebräus über seine Finger ergoss, während er mit dem linken Arm krampfhaft einen Stapel Aktenordner festhielt. Die Aktenordner hatten sich bereits ineinander verschoben und drohten jede Sekunde auf den Boden zu fallen. Standhaft versuchte Klaus mit seinem Kinn die Ordner auf seinem Arm zu stabilisieren. Trotz dieser verzwickten Situation schaffte er es noch, Oliver ein Augenzwinkern zuzuwerfen und einen unverständlichen Gruß zu murmeln. In drei schnellen Schritten hatte er es bis zu seinem Schreibtisch geschafft und ließ nun, begleitet von einem großen Knall, die Aktenordner darauf fallen. Schweißgebadet fiel er in seinen Bürostuhl, legte lässig die Beine auf dem Tisch ab und schlürfte dann einen langen genüsslichen Schluck Kaffee aus seinem Becher.
„Guten Morgen, Sportsfreund, bist du schon fleißig an der Analyse unseres neuesten Falls dran?“
„Du hast gut lachen, Klaus! Hans Steuermark möchte in einer Stunde einen Plan für die weitere Vorgehensweise haben!“
Oliver grinste, nahm die Plastiktüte mit dem Fußknochen in die Hand und warf sie übermütig in einem hohen Bogen hinüber zu Klaus. Dieser schaffte es gerade noch, seinen Kaffeebecher abzustellen und das Flugobjekt erst mit seiner Brust zu stoppen und dann mit der rechten Hand aufzufangen.
„Igitt! Ist das der Fußknochen, über den das halbe Revier spricht? Da ist ja kaum was von übrig!“
Angewidert betrachtete Klaus das Objekt in seiner Hand.
„Und wo sollen wir jetzt die Leiche zu diesem Fuß finden, wenn es überhaupt eine gibt?“
...
Um ihn herum herrschte
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