Der Sichelmoerder von Zons
erinnerte:
„Herr Kronberg erwartet Sie bereits.“
...
Eine Stunde später stand Matthias Kronberg am Fenster seines Büros und beobachtete Anna heimlich dabei, wie sie in ihr Auto einstieg. Das war wirklich die attraktivste Bankberaterin, die sie ihm jemals vorbeigeschickt hatten. Sie hatte sich bemüht, ihm zu helfen. Sie hatte ihm mehrere Vorschläge unterbreitet, die den Beratungsfehler ihres Kollegen wieder beheben sollten. Fast hatte er angefangen, sie zu mögen. Doch eine schneidende bitterböse Stimme in seinem tiefsten Innersten erhob sich zu einer drohenden Warnung.
„Lass dich bloß nicht von ihrem Anblick verführen. Banker sind alle gleich! Egal wie nett sie zu dir sind, am Ende wollen sie alle nur dein Geld und wenn du am Boden liegst, interessierst du sie nicht mehr.“
„Aber Anna Winterfeld ist wirklich anders! Können diese großen grünen Augen lügen? Nein. Niemals!“, widersprach sein Gefühl der wütenden Stimme.
„Hör auf sie zu mögen, du alter Trottel! Sie ist wie alle anderen. Sie hat es nicht verdient, auf dieser Erde zu wandeln. Sie verstößt gegen alle Gebote des Herrn!“
„Blödsinn! Ich mag sie!“
Mit diesem letzten Gedanken in seinem Kopf drehte er sich vom Fenster weg. Sein Kopf dröhnte und die Gedanken überschlugen sich. Müde rieb sich Matthias an seinen Schläfen. Dann hielt er kurz inne, bekreuzigte sich flüchtig und nahm den Telefonhörer in die Hand.
„Hallo, bitte richten sie Bruder Sebastianus aus, er möge mich zurückrufen, sobald seine Zeit es zulässt.“
Er hielt den Hörer noch ein paar Sekunden länger ans Ohr und lauschte dem Gesang der Mönche, welcher sich hallend im Hintergrund wie eine wohltuende Welle ausbreitete. Er fragte sich, ob sein Bruder in diesem Moment im Chor der Gläubigen mitsang. Erst dann senkte er den Arm und legte den Hörer zurück in die Gabel des Telefons. Das leise Klicken in der Leitung nahm er nicht wahr.
...
Seufzend drückte Sebastian Kronberg, oder Bruder Sebastianus, wie sie ihn im Kloster nannten, auf die Escape-Taste seines Laptops. Er hatte genug gehört. Matthias würde Geld brauchen, wenn die Firma nicht endgültig pleitegehen sollte. Die Vorschläge dieser Bankberaterin waren nicht schlecht, aber ohne den Zuschuss von eigenem Kapital gab es keine Chance. Sebastian ließ die letzten Jahre an sich vorbeiziehen. Wie oft hatte er seinem Bruder aus der Klemme helfen müssen! Und das immer auf eine Art und Weise, dass Matthias am Ende glaubte, es aus eigener Kraft geschafft zu haben. Sebastian besaß die Vollmacht über das Familienvermögen, welches nach dem Ausscheiden des Vaters vor acht Jahren in eine Stiftung eingeflossen war. Es war eine absolute Ausnahmegenehmigung, weil er als Mönch eigentlich kein Vermögen besitzen durfte, aber eine großzügige Spende an das Kloster und der kleine Trick über die Gründung einer eigenen Stiftung für das Familienvermögen erlaubten diese Vorgehensweise. Seine Mutter hatte schon lange vor ihrem Tod darauf bestanden und ihm zusätzlich noch auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, auf seinen Bruder aufzupassen und er hatte es all die Jahre über getan.
Beinahe zärtlich strich er mit der Hand über seinen Laptop. Er liebte Computer über alles. Schon lange bevor er sich endgültig dem Herrn verschrieben hatte, war dies seine Leidenschaft gewesen. Es gab kein System, in das er sich nicht hacken konnte. Außerdem war er durch diese Fähigkeiten in der Lage, ein Leben im Kloster zu führen und gleichzeitig auf seinen Bruder achtzugeben. Ohne dass dieser es wusste, überwachte Sebastian seit Jahren sämtliche Lebensbereiche von Matthias. Es gab keinen Ort, an dem er nicht mithören oder über eine Kamera beobachten konnte. Die moderne Technik vollbrachte hier wahre Wunder!
V
Vor fünfhundert Jahren
Bastian verließ das Wirtshaus „Zur alten Henne“ und eilte durch die dunklen, engen Gassen von Zons. Trotz der späten Stunde war es noch ziemlich warm und ein angenehmes laues Lüftchen wehte durch die Straßen. Die unangenehme Hitze des Tages, welche sich in den engen Gässlein angestaut hatte, stieg nun langsam nach oben in den klaren Nachthimmel hinauf. Tausende Sterne schienen hinab auf Zons und hüllten das Städtchen in ein Spiel aus tanzenden Lichtern und Schatten ein. Bastian hatte es nicht weit bis zu seinem kleinen Häuschen, in dem er mit Marie lebte. Es befand sich unweit des Zonser Mühlenturms. Als er nach
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