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Der Sichelmoerder von Zons

Der Sichelmoerder von Zons

Titel: Der Sichelmoerder von Zons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Shepherd
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Holzplatte mit knusprigen braungebrannten Fleischstücken vor ihren Augen auf den groben Holztisch ab. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, stürzten sich die drei Freunde gierig darauf. Erst nachdem fast nichts mehr übrig war, hob Josef erneut an:
    „Wisst Ihr, ich war eigentlich schon vor einer Stunde mit Conrad verabredet. Ich bin mir nur nicht mehr sicher, ob wir uns an meinem Haus oder hier im Wirtshaus treffen wollten.“
    Bastian öffnete gerade seinen Mund und wollte Josef antworten, als ein erneuter Windstoß durch die geöffnete Tür der Schankstube eindrang. Es waren die Mitglieder des „Siebener Ausschusses“ der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft, die - von einem unheimlichen Schweigen umgeben - zu einem der freien Tische liefen. Fast geräuschlos nahmen sie Platz, steckten die Köpfe dicht zusammen und ein raunendes Flüstern begann sich über die eingetretene Stille zu erheben.
    „Seht“, begann nun auch Bastian zu flüstern, „der ‚Siebener Ausschuss‘! Was führen die wohl im Schilde?“
    Unauffällig drehten Wernhart und Josef ihre Köpfe in Richtung der Neuankömmlinge. Bis vor ein paar Jahren hatte die Bruderschaft einen hervorragenden Ruf unter den Zonser Bürgern genossen. Sie existierte seit fast 100 Jahren. Nachdem der ältere Brudermeister Henricus Krumbein vor ein paar Jahren mit der Trauerfahne zu Grabe getragen worden war, hatte ein neuer Brudermeister, Huppertz Helpenstein, die Führung der Bruderschaft übernommen. Während sich die Bruderschaft unter Henricus im „Neusser Krieg“ - bei der Befreiung der belagerten Stadt Neuss durch das Reichsheer von Kaiser Friedrich III. im Jahr 1475 - durch besonderen Mut und militärische Tapferkeit hervorgetan hatte, waren diese Motive der alten Bruderschaft jetzt überwiegend extrem religiösen Beweggründen gewichen. Huppertz war ein strenger Fanatiker, der völlig neue Regeln für die Sebastianus-Brüder aufgestellt hatte. Es wurde weniger Wert auf die Wehrhaftigkeit und Kampfkunst der einzelnen Mitglieder, sondern viel mehr auf ihre Gottesfürchtigkeit gelegt. Huppertz stiftete den St. Sebastianus-Altar in der Zonser Kirche St. Martinus und verpflichtete die Brüder zu einer monatlichen Beichte, obwohl das vierte Laterankonzil - welches im Jahr 1215 von Papst Innozenz III. im römischen Lateran, dem offiziellen Papstsitz in Rom, einberufen wurde - die Beichte für Christen nur einmal im Jahr vorsah.
    Alle sieben Brüder hatten sich in tiefschwarze Kleidung gehüllt. Die hohen, spitz zulaufenden Filzhüte mit breiter Krempe waren ein typisches Kleidungsstück der Sebastianus-Brüder und lagen jetzt übereinandergestapelt auf einer Bank neben dem Tisch, an dem sie Platz genommen hatten. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie die anderen Besucher der Schenke gar nicht wahrnahmen. Der Wirt stellte ihnen wortlos einen Krug Wein auf den Tisch und verschwand zügig wieder hinter seinem Tresen. Der älteste Bruder hob plötzlich seine Hand und zeigte mit dem Finger auf einen der anderen Brüder auf der gegenüberliegenden Tischseite. Dieser senkte sein Haupt und griff sich in den Nacken. Für einen kurzen Moment konnte Bastian eine silberne Kette aufblitzen sehen. Die Kette wurde über den Tisch gereicht und verschwand im Wams des Ältesten, Huppertz.
    „Habt Ihr das gesehen?“, fragte Bastian die beiden Freunde an seinem Tisch.
    „Ja, ich glaube, an der Kette hing ein Schlüssel“, flüsterte Wernhart. „Mein Vater hat mir erzählt, dass es in der Bruderschaft drei Schlüsselhüter gibt. Nur mit allen drei Schlüsseln zusammen kann die Schützentruhe geöffnet werden. In der Truhe werden die geheimen Schriften der Bruderschaft und das Königssilber aufbewahrt.“
    Bastian zuckte für einen kurzen Moment zusammen. Während Wernhart immer mehr über die Schützentruhe erzählte, hatte er die ganze Zeit hinüber zu den Sebastianus-Brüdern geschaut, ohne auch nur eine Sekunde lang die Augen abzuwenden. Irgendwie musste der Bruderälteste seine Blicke gespürt haben, denn obwohl er mit dem Rücken zu Bastian saß, hatte er sich unerwartet zu ihm umgedreht und sah ihn nun mit einem durchdringenden Blick an. Bastian hielt seinem Blick stand. Es entstand ein Moment einer nahezu unheimlichen stummen Kraftprobe, doch nach einer Weile nickte der Älteste kurz mit dem Kopf und wandte sich wieder seinen Brüdern zu.
    Bastian atmete tief durch. Es war wirklich beunruhigend, wie Huppertz ihn angestarrt hatte. Fast so, als wolle er sein

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