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Der Sichelmoerder von Zons

Der Sichelmoerder von Zons

Titel: Der Sichelmoerder von Zons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Shepherd
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Kraft. Erschöpft ließ Peter sich in den Kofferraum zurückfallen. Ein paar Minuten wollte er erneut Kraft schöpfen und dann fliehen, so schnell es nur ging.
     
    Die bösen, zu engen Schlitzen zusammengekniffenen Augen, die ihn bei seinem Fluchtversuch beobachteten, bemerkte Peter nicht.

VII
    Vor fünfhundert Jahren
     
     
    Wieder hatte er sich dicht an die kalte und feuchte Gewölbewand gelehnt und rührte sich nicht. Er hatte mittlerweile so viel Übung darin, sich lautlos zu bewegen und dabei fast mit dem Hintergrund zu verschmelzen, dass er sich selbst fast für unsichtbar hielt. Seine Augen hatten sich perfekt an das Dunkel gewöhnt und er konnte den stöhnenden Mann, der auf dem von Nägeln durchsetzten Holzstuhl in der Mitte des Raumes saß, in aller Ruhe beobachten. Gestern hatte er ihn mit seiner Rute geschlagen. Zuerst ließ er die Peitsche eher sanft auf den nackten Körper sausen. Doch als sein Opfer vor Schmerzen direkt zu winseln anfing, wurde er wütend und schlug härter zu. Vor nichts hatten diese Lügner Respekt. Weder konnten sie für ihre Lügen geradestehen, noch kleine Schmerzen erdulden. Hätte dieser Lügner seine Strafe wie ein ehrbarer Mann ertragen, hätte er so sanft weiter gemacht, wie er begonnen hatte. Vielleicht hätte ein von Lederriemen zerschundener Körper als Buße für all die Sünden, die dieser Mann begangen hatte, genügt. Vielleicht hätte er ihn gehen lassen. Er musste nicht töten, um zufrieden zu sein. Gott wollte Leben erhalten, nicht nehmen. Doch Buße musste getan werden!
    Er spürte, wie er sich bei diesen Gedanken erregte. Kalt und böse stieg die Wut in ihm hoch. In diesem Augenblick wollte er nichts lieber tun, als die ganzen Lügen aus diesem gottlosen Sünder vor ihm herauszuprügeln. Doch noch war es nicht soweit. Er musste sich beruhigen. Das Stöhnen des Mannes drang in seinen Kopf ein, wie eine liebliche Melodie. Sie verschmolz mit den Gesängen, die er gelernt hatte. Bei hunderten Zusammenkünften hatten sie im Chor vor dem großen Altar zu dieser Melodie gesungen. Sie kreiste in seinem Kopf wie Balsam und beruhigte ihn. Die Erregung ließ nach. Wieder ruhig geworden, lauschte er der Melodie in seinem Kopf, begleitet von dem Stöhnen des Mannes auf dem Holzstuhl vor ihm.
     
     
    ...
     
     
    „Bastian versprich es mir, bitte!“, die Stimme klang schwach und heiser. Bastians ältester Bruder Heinrich hustete und fiel dann erschöpft zurück in die dicken Kissen, die auf seinem Bett gestapelt waren. Heute ging es ihm wieder besonders schlecht. Das lag sicherlich an dieser schwülen Hitze, die sich seit Wochen über Zons gelegt hatte und die Bewohner der Stadt regelrecht lähmte. Es war, als hätte ein unsichtbarer, zäher und klebriger Schaum jede Pore der Haut verklebt. Das Atmen fiel genauso schwer, wie die kleinste Bewegung.
    Sorgenvoll betrachtete Bastian seinen Bruder. Heinrich war immer sein großes Vorbild gewesen. Er besaß eine hünenhafte Gestalt und sein Körper bestand im Wesentlichen aus Muskeln. Mehlsäcke bugsierte er durch die Luft, als wären es Federkissen. Doch durch den vielen Mehl- und Steinstaub, den er jahrelang in der Mühle eingeatmet hatte, waren seine Lungen geschädigt worden. Sie konnten nicht mehr genug Sauerstoff aufnehmen, um den muskulösen Körper von Heinrich zu versorgen. Viele Müller wurden wegen der schweren und ungesunden Arbeitsweise nicht besonders alt. Bastian wischte diesen Gedanken schnell beiseite. Nein, hier lag sein starker Bruder Heinrich vor ihm. Der ließ sich nicht unterkriegen.
    „Heinrich, ich will dir gerne das Versprechen abnehmen, wenn die Zeit gekommen ist. Aber das ist sie noch nicht!“
    „Pfarrer Johannes war heute Morgen bei mir. Er hat mir geraten, dich zu fragen. Bastian, es tut mir leid, aber ich befürchte, mir bleibt nicht mehr viel Zeit und ich möchte, dass du derjenige bist, der mir meinen letzten Wunsch erfüllt.“
    Bastian blickte Heinrich störrisch an. In den Augen seines Bruders konnte er erkennen, dass dieser es sehr ernst meinte. Bastian seufzte.
    „Also gut, Heinrich. Ich verspreche es dir! Ich werde deine sterblichen Überreste bei unserem Bruder Albrecht auf dem Friedhof des Klosters Knechtsteden begraben.“
    Heinrich lächelte selig.
    „Ich danke dir, mein Bruder. Ich weiß, dass mein Wunsch bei dir in sicheren Händen ist.“
    „Glaub ja nicht, dass ich dir diesen Wunsch in nächster Zeit erfüllen werde! Du bist kräftig genug, um dich wieder zu erholen. Nächste

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