Der Sichelmoerder von Zons
den Raum betrat. Ihre Schenkel pressten sich warm an die seinen und er wünschte sich, dass dieser Augenblick nie enden würde. Mit einem kräftigen Stoß aus seinem Unterleib drückte er Emily wieder auf die Fensterbank zurück. Er hatte Mühe, sich zu beherrschen. Eine plötzliche Vibration ließ ihn innehalten. Sein Handy klingelte und kündigte den nächsten Störenfried an. Oliver stöhnte verärgert auf und griff sich in die eng gewordene Hosentasche. Er hatte Mühe, sein Handy hervorzukramen. Oh nein, nicht ausgerechnet jetzt! Seine Mama stand im Display. Ihr Name leuchtete im Sekundentakt auf. Schlechtes Timing! Was wollte sie nun schon wieder?
„Tut mir leid, Emily. Da muss ich mal kurz ran.“
Mit einem tiefen Seufzer nahm er ab.
„Hallo Mama, was gibt es denn?“
Seine Mutter lebte seit dem Tod des Vaters vor etwas mehr als einem Jahr alleine in dem großen Elternhaus. Oliver bedauerte oft, dass es mehr als eine Fahrtstunde entfernt von Neuss lag, sonst hätte er sich mehr um seine Mutter kümmern können.
„Oliver, stell dir vor, die Scheibe zum Kellerfenster ist eingeschlagen. Das Fenster hat ein Loch so groß wie ein Mauerstein und tausende Glassplitter liegen herum. Muss ich jetzt die Polizei rufen?“
„Nein Mama, das musst du nicht. Ich kümmere mich darum. Mach dir keine Sorgen und außerdem bin ich ja bei der Polizei.“
Oliver musste bei dem letzten Satz grinsen. Seine Mutter war zwar ganz furchtbar stolz auf ihn. Da er als Kriminalbeamter jedoch selten Uniform trug, war er für sie kein richtiger Polizist. Zu stark war in ihrem Kopf die herkömmliche Vorstellung eines Streifenpolizisten in grüner Uniform verknüpft, als dass sie sich von dieser Auffassung lösen konnte. Oliver beendete sein Telefonat rasch. Er würde gleich einen Kollegen von der Streifenpolizei vorbeischicken. Oliver war sich zwar sicher, dass die Scheibe aus Altersgründen zerborsten war, aber seine Mutter würde es bestimmt beruhigen, wenn ein richtiger Polizist mal nach dem Rechten sah. Bedauernd blickte er auf seine Armbanduhr. Er musste dringend los. Mit einem langen Zungenkuss verabschiedete er sich von Emily.
„Ich rufe dich nachher an!“
Mit diesen Worten löste er sich von ihr, griff seine Sachen und begab sich auf den Weg zurück ins Polizeirevier. Kaum war er ins Auto gesprungen, klingelte sein Handy erneut. Diesmal war sein Partner Klaus am anderen Ende der Leitung.
„He Sportsfreund, wo steckst du? Hast du etwa das Meeting vergessen?“
„Nein, aber ich hatte zu tun.“
„Ach so nennt man das heute: Du hattest zu tun? Was gab es denn mit Emily Richter so zu tun?“, neckte Klaus ihn. Oliver konnte sein spöttisches Grinsen förmlich vor sich sehen.
„Hör zu, denke dir bitte irgendetwas aus, falls Steuermark vor mir da sein sollte.“
„Mein Lieber, ich bin dein Partner, was hältst du denn von mir?“
Die Stimme von Klaus klang übertrieben beleidigt.
„Ich habe dir bereits das perfekte Alibi verschafft. Wir haben einen Termin im Dormagener Chemiekonzern. Also drücke aufs Gas und hole mich ab.“
Bevor Oliver sich bedanken konnte, gab es ein Klicken in der Leitung. Klaus hatte bereits aufgelegt. Zufrieden brauste Oliver mit seinem Dienstwagen über die Autobahn A57 in Richtung Neuss.
...
Zur gleichen Zeit sammelte Emily die heruntergefallenen Bücher auf. Zum größten Teil handelte es sich um die Unterlagen, die sie für ihre Artikelserie zu den historischen Morden in Zons im Jahr 1495 gesammelt hatte. Ihre beste Freundin Anna hatte es damals fast erwischt. Wie durch ein Wunder war sie dem Nachahmungstäter des Zonser Puzzlemörders entkommen. Heute Abend waren die beiden Freundinnen verabredet und Emily freute sich schon riesig. Sie hatte Anna viel zu erzählen. Ein Redakteur der Rheinischen Post hatte ihr doch tatsächlich angeboten, eine neue Reportage über eine weitere düstere Mordserie im mittelalterlichen Zons am Rhein zu schreiben. Das war genau das Angebot, auf welches sie seit Wochen sehnsüchtig gewartet hatte. Ihre erste Reportage über den Puzzlemörder von Zons, der dort vor über fünfhundert Jahren sein Unwesen trieb, war ein großer Erfolg gewesen. Emily spürte Stolz und Begeisterung gleichzeitig in sich aufwallen. Die ersten Ideen spukten unablässig in ihrem Kopf herum und sie brauchte heute Abend ihre beste Freundin als Sparringspartner. Versonnen hielt sie inne. Oliver Bergmann stahl sich plötzlich in ihre Gedanken und die Sehnsucht stieg wie
Weitere Kostenlose Bücher