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Der Sichelmoerder von Zons

Der Sichelmoerder von Zons

Titel: Der Sichelmoerder von Zons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Shepherd
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ängstliche Jungen in das Kloster Knechtsteden gekommen waren, hatten sie gelernt, ihr Herz für Gott zu öffnen und Gutes zu tun. Doch dann war dieser Ablassprediger Johann Tetzel aufgetaucht und die drei Freunde wussten im selben Augenblick, dass Johann Tetzel nicht auf Gottes Pfaden wandelte. Er missachtete alle Regeln, die Bruder Ignatius ihnen beigebracht hatte.
    Insbesondere die drei Regeln, die bei der Beichte zu beachten waren, ließ Johann Tetzel vollständig außer Acht. Albrecht konnte diese Regeln, die Bruder Ignatius ihnen immer wieder eingeprägt hatte, im Schlaf aufzählen. Für die Beichte galt zunächst die confessio oris , das mündliche Bekenntnis der einzelnen Sünden, das möglichst genau sein musste und keine Sünde unterschlagen sollte. Dazu kommt die contritio cordis , die rechte Zerknirschung des Herzens als Gemütsverfassung. Und schließlich die satisfactio operis , die Genugtuung durch gute Werke. Mit einfachen Worten gesprochen, bedeutete dies nichts anderes, als dass ein Sünder seine schlechten Taten vollständig aufzuzählen hatte, dass er ehrliche Reue für seine Taten empfinden musste und dass er vor allem zur Tilgung seiner Schuld ein gutes Werk vollbringen musste.
    Doch Johann Tetzel machte mit der Gnädigkeit des Herrn Geschäfte. Er verkaufte Ablassbriefe und nahm auf diese Art und Weise tausende Gulden ein. Als die drei jungen Mönche zum ersten Mal eine von Tetzels Ablasspredigten hörten, blieb ihnen fast das Herz stehen. Johann Tetzel war ein gesegneter Redner, soviel stand fest. Dominant stolzierte er auf einem kleinen Podest hin und her, die Brust stolz emporgestreckt und blickte mit klaren blauen Augen auf die um ihn versammelten Menschen hinab. Seine Ausstrahlung ließ keinen Zweifel daran, dass er ein glaubwürdiger Vertreter Gottes auf Erden war. Mit einer Geste des Großmuts begann er mit einer wohlklingenden tiefen und vertrauenerweckenden Stimme die Worte des Herrn zu predigen. Gebannt lauschte die Menge seinen Worten und erstaunt mussten die drei Mönche vernehmen, dass ein Sünder auch ohne die Beichte vor einem Priester seine Strafe durch den Kauf eines Ablassbriefes tilgen konnte. Während dieser unsäglichen Worte nahm Albert einen tiefen Seufzer hinter sich wahr. Er sah sich um und erblickte Bruder Ignatius, der sich kopfschüttelnd bekreuzigte. Wie sollte das wohl funktionieren, Sünden vergeben ohne zu beichten?
    Doch Johann Tetzel ließ sich von dem ungläubigen Gemurmel der Mönche nicht abschrecken. Stattdessen holte er selbstsicher einen großen Kasten hervor und platzierte diesen direkt vor der raunenden Menge. Auf dem Kasten war die schreckliche Grimasse des Teufels zu sehen, der die armen Seelen der Sünder im Fegefeuer quälte. Darüber stand mit großen goldenen Buchstaben geschrieben: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.“
    Damit war die Zurückhaltung der Menge endgültig gebrochen. Die Menschen bildeten eine lange Schlange, um Ablassbriefe für sich und ihre verstorbenen Familienangehörigen zu kaufen. Am Ende der Predigt war der mit Gulden gefüllte Kasten so schwer, dass zwei Mönche zusammen Mühe hatten, diesen zu bewegen. Nachdem sich der Platz geleert hatte und nur noch die Mönche des Klosters in kleinen tuschelnden Gruppen herumstanden, blickte Tetzel zufrieden in die Runde und sagte:
    „Nun, meine lieben Brüder. Ich hoffe, Euch hat meine Predigt gefallen!“
    In diesem Moment klatschte der Abt Ludwig von Monheim begeistert in die Hände und lief zum großen Entsetzen der drei jungen Mönche auf den Prediger zu und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. Albrecht konnte es nicht fassen. Aus dem Augenwinkel schielte er zu Huppertz und Conrad hinüber. Die beiden blickten blass und mit regungslosen Mienen auf das Schauspiel, welches sich dort vor ihren Augen bot. Bruder Ignatius bekreuzigte sich ein weiteres Mal. Seine Lippen waren zu schmalen Strichen zusammengezogen, genau wie seine Augen, aus denen ein wütendes Funkeln blitzte.
    Vor ihnen verließ der junge Johann Tetzel gemeinsam mit dem Abt den Platz in Richtung der Kapelle. Der Abt hatte seinen Arm um Johanns Schultern gelegt und war immer noch sichtlich ergriffen von der Rede des Ablasspredigers. Johann Tetzel hatte seine Liebe zu Gold offensichtlich schon in die Wiege gelegt bekommen. Er stammte aus Leipzig und war der Sohn eines bekannten Goldschmieds in Pirna, einem kleinen Ort in der Nähe von Leipzig. In Leipzig hatte Tetzel Theologie studiert

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