Der Sichelmoerder von Zons
Dann klingelte ihr Wecker schrill und laut und riss sie rücksichtslos aus dem einzig schönen Moment ihres ansonsten dunklen Traums. Anna hielt sich die Hände an ihren Kopf. Sie brauchte dringend Aspirin. Ihr IPhone klingelte.
Nein! Nicht jetzt! Schon wieder dieser Matthias Kronberg. Wie der nerven konnte! Gequält nahm sie ab.
„Guten Morgen, Frau Winterfeld. Ich hoffe, ich störe Sie nicht. Ich will Sie nicht schon wieder belästigen, aber ich müsste dringend wissen, ob ich den Kredit bekomme.“
Anna dachte kurz nach. Wie war das noch einmal mit diesem Kunden. Ihr Kopf fühlte sich so schwer an, dass sie Mühe hatte, sich zu erinnern. Kronberg. Matthias Kronberg. Was hatte ihr Chef ihr gestern dazu gesagt? Dann fiel es ihr ein.
„Herr Kronberg, machen Sie sich doch bitte keine Sorgen. Alles ist auf dem Weg. Ich muss nur noch das Votum unserer Risikoabteilung abwarten. Aber ich bin sicher, dass alles gut gehen wird. Kann ich mich im Laufe des Tages wieder bei Ihnen melden?“
Mit enttäuschter Stimme antwortete Matthias Kronberg: „Ja gut, aber geben Sie mir sofort Bescheid, wenn Sie etwas erfahren. Bitte!“
Anna legte auf und griff nach der Schachtel mit dem Aspirin. Sie schluckte die Tablette ohne Wasser hinunter. Dann ging sie zurück ins Schlafzimmer und streichelte Emily sanft über die Haare.
„He Schlafmützchen, wach kurz auf!“
Emily rieb sich müde die Augen. Ihr Atem roch noch stark nach Rotwein.
„Ich muss los zur Arbeit. In der Küche findest du was zu Essen und Kaffee. Die Ausdrucke über die goldene Sichel lege ich dir auf deine Tasche, damit du sie nicht vergisst. Ruf mich an und erzähle mir von deinem Date mit Oliver. Ich bin wirklich brennend daran interessiert!“
Sie lächelte. Das war eine schöne Liebesgeschichte zwischen den beiden. Wie gerne hätte sie auch mal so ein Glück. Emily reckte müde ihren Kopf empor und sah sie verschlafen an.
„Falls du Aspirin brauchst. Hier ist welches.“
Anna legte die Aspirin Schachtel direkt neben Emilys Kopf.
„Meinst du, die Geschichte mit dem Sichelmörder ist eine gute Idee?“, fragte Emily mit schlaftrunkener, heiserer Stimme.
„Klar. Sie wird genauso ein Erfolg werden, wie deine Reportage über den Puzzlemörder. Wir haben die Geschichte ja schon fast zusammen. Es fehlen nur noch ein paar Recherchen im Kreisarchiv von Zons und dann hast du eine neue aufregende Story in der Tasche. Du schreibst gut Emily. Ich glaube an dich!“
Und das Gute daran ist, fügte Anna in Gedanken hinzu, dass diese Sichelmorde mit mir diesmal nicht das Geringste zu tun haben! Wirklich nicht? Ein düsterer Gedankenstrom raste durch Annas Geist und für einen kurzen Moment sah sie in einem finsteren Gang eine goldene Sichel aufblitzen. Diese Vorstellung verpasste ihr eine Gänsehaut, bei der sich die feinen Härchen an ihren Armen schlagartig senkrecht aufstellten, während ein kalter Schauer über ihren Rücken lief. Jetzt übertreibe mal nicht, nur weil du schlecht geträumt hast, ermahnte sie sich selbst und griff entschlossen nach ihrem Autoschlüssel. Energisch streifte sie die düsteren Gedanken ab und begab sich auf den Weg nach Düsseldorf zu ihrer Bank.
IX
Vor fünfhundert Jahren
Bastian träumte wieder von dieser wunderschönen Frau. Er wälzte sich unruhig im Schlaf hin und her. Sie hatte eine blütenweiße Haut und große smaragdgrüne Augen. Ihre langen lockigen Haare flossen in weichen Wellen ihren schlanken weißen Hals hinab und endeten in einer ebenso schlanken Taille. Er kannte diese Frau. Er konnte sich nur nicht mehr daran erinnern woher. In ihren Augen schien Angst. Warum nur? Bastian trat näher an sie heran und sofort veränderte sich der Ausdruck in ihren Augen.
Sie strahlte ihn an und sein Herz machte einen Satz. Er wollte sie berühren, doch eine unsichtbare Macht hielt ihn davon ab, ihr näher zu kommen. Sie entfernte sich immer weiter von ihm. Ihr Bild verschwamm vor seinen Augen. Er suchte sie. Wo war sie nur hin. Er lief durch düstere Mauergewölbe aus schier endlosen Gängen, die sich wanden wie Würmer. Ihre Enden waren so ineinander verschlungen, dass er nicht mehr hinausfand. Doch, dort vorne stand sie. Bastian lief auf sie zu. Ein plötzlicher Lichtstrahl katapultierte ihn in eine andere Welt. Plötzlich war es wieder Tag. Er saß am Rhein. Sie saß neben ihm. Ihr Mund war so rot und so nahe. Er konnte ihren Duft wahrnehmen.
Bastian wachte auf. Wo war er? Er blickte sich um. Seine Augen gewöhnten
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