Der Sichelmoerder von Zons
und damit zum Rhein ging. Seit der Erzbischof von Saarwerden im Jahr 1372 den Rheinzoll von Neuss nach Zons verlegt hatte, nahm die kleine Stadt mehrere tausend Gulden im Jahr ein und gewann immer mehr an Bedeutung.
Leise eilte Bastian durch die kleinen, dunklen Gässchen von Zons. Es war totenstill und kein Geräusch störte den nächtlichen Frieden. Selbst die Ratten, die gerne durch die Dunkelheit huschten, schienen zu schlafen. Bastian blieb am Haus des alten Jacob stehen und vernahm ein leises Schnarchen. Nun gut, ganz geräuschlos konnte es in einer Stadt doch nicht zugehen. Bastian lächelte leise in sich hinein. Der alte Jacob, der behauptete, er würde vor lauter Sorgen keine Nacht mehr schlafen, zersägte mit seinem Schnarchen geradezu die wenigen Dachschindeln, die an seinem ärmlichen Haus noch übrig geblieben waren.
Bastian ließ sich nicht beirren und spazierte weiter in Richtung Mauerstraße. An der Ecke zum Hospitalplatz blieb er kurz stehen und lauschte. Kein Schnarchen oder andere Laute drangen in sein Ohr. Nur das Hämmern seines donnernden Pulses konnte Bastian laut und deutlich wahrnehmen. Er streckte seinen Kopf vor und blickte um die Ecke in die Mauerstraße hinein. Am Ende der Gasse konnte er undeutlich das Haus von Huppertz Helpenstein erkennen. Es lag eingehüllt in schwarzer Dunkelheit verborgen. Bastian schlich sich näher heran. Gerade, als er die Gasse überqueren wollte, bemerkte er eine Bewegung vor sich. Eine schwarze Gestalt löste sich von der dunklen Hauswand ab und verschwand in die Rheinstraße auf der gegenüberliegenden Seite. Bastian hörte die Schritte wie knirschende Kieselsteine an den Häuserwänden entlang hallen. Sie verloren sich in der Finsternis. Er hielt den Atem an. War das eine Sinnestäuschung?
Keine Minute später verließ schon eine weitere dunkle Gestalt das Haus von Huppertz und verschwand in die gleiche Richtung. Das konnte doch nicht sein. Wer waren diese Leute und was taten sie hier mitten in der Nacht? Bastians Herz flatterte vor Aufregung und pumpte Unmengen von Blut durch seine Adern. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Seine Sinne waren geschärft. Er ließ sich von seiner Angst nicht ablenken und konzentrierte sich auf das Haus des Bruderältesten. Bastian schlich so dicht wie er konnte an die Haustür heran. Er hörte leise Stimmen. Sie flüsterten und er konnte die Worte nicht verstehen. Er presste sein Ohr an die Wand, doch die Stimmen waren zu leise. Das Fenster stand einen Spalt offen und Bastian konnte einen schwachen Kerzenschein erkennen. Die Haustür ging abermals auf und Bastian überwältigte die Panik, entdeckt zu werden. Hastig presste er sich so dicht wie möglich an die Hauswand und bedeckte seinen blonden Haarschopf mit der Kapuze, die sich glücklicherweise an seinem Wams befand.
„Richtet der Familie von Benedict Eschenbach nochmals mein tiefstes Beileid aus. Er war ein guter Fahnenträger und wir werden sein Andenken in Ehren halten. Benedict hat bis zur letzten Minute seines Lebens versucht, den Schlüssel zu bewahren.“
Bastian erkannte die Stimme von Gottfried, er gehörte zur St. Sebastianus-Bruderschaft. Warum trafen sie sich mitten in der Nacht? Die Haustür schloss sich und Bastian konnte hören, wie der schwere Riegel davor geschoben wurde. Er hob den Kopf und entdeckte Huppertz Helpenstein. Dieser blies die Kerze aus und es war auf der Stelle stockdunkel. Knarrende Dielengeräusche drangen an Bastians Ohren. Vermutlich stieg der Bruderälteste gerade die Stufen zu seinem Schlafgemach empor. Dann herrschte Stille. Bastian wartete noch eine Weile ab und löste sich unauffällig von der Hauswand. Müdigkeit stieg in ihm auf und er hatte plötzlich das Bedürfnis, schnell nach Hause zu kommen und sich wieder ins Bett zu legen.
Leise wie eine Katze schlich er durch das schlafende Zons zurück zu seinem Haus beim Mühlenturm. Lautlos stieg er die Stufen hinauf und schlüpfte zurück unter seine Bettdecke. Marie schlief immer noch friedlich auf ihrer Bettseite. Sie hatte seinen nächtlichen Ausflug offenbar nicht bemerkt. Bastian grübelte noch ein paar Minuten über das nächtliche Treffen der Bruderschaft und fiel dann in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
...
Am Morgen suchte er seinen besten Freund Wernhart auf. Dieser runzelte die Stirn und lief nachdenklich in seiner kleinen Kammer auf und ab. Da die Kammer sehr schmal war, musste er, sobald er die Mitte des Kämmerchens erreichte, stets mit einem
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