Der Sichelmoerder von Zons
einer goldenen Sichel die Zunge aus dem Mund herausgeschnitten hatte. Augenblicklich schmeckte sie wieder das Blut in ihrem Mund. Ihr Magen drehte sich um und krampfte sich fürchterlich zusammen. Die Nägel auf dem Holzstuhl drangen bei dieser Bewegung tiefer in ihr wundes Fleisch ein. Jetzt erkannte sie, woher diese Schmerzen kamen. Ihr wurde schwarz vor Augen und eine Welle der Ohnmacht schenkte ihr ein wenig Frieden. Die dunkle kalte Welt verblasste vor ihren Augen und ihr Kopf viel schlaff vornüber.
Eine schlanke, dunkle Gestalt löste sich von der tropfenden Felswand. Sie ging auf die ohnmächtige Frau zu. Mit einer Hand schob sie den Kopf der Frau zur Seite. Dann schwebte die Gestalt wieder lautlos aus dem kalten Verlies hinaus.
...
In den Schatten der Häuserwände herrschte trotz des hellen Mondes tiefschwarze Nacht. Wernhart konnte seine eigenen Füße nicht erkennen. Prüfend streckte er seinen Arm aus und blinzelte. Nichts. Es war so dunkel, dass er die Hand nicht vor den Augen sah. Angst beschlich ihn und schnürte ihm die Kehle zu. Für einen kurzen Moment dachte er darüber nach, wieder umzukehren und sich einfach in sein Strohbett zu legen. Doch er wollte Bastian nicht enttäuschen und vor allem nicht als Feigling dastehen. Er hatte es versprochen. Ja, es war sogar seine eigene Idee gewesen, also würde er jetzt all seinen Mut zusammennehmen und zum Haus des Bruderältesten Huppertz Helpenstein schleichen. Er hatte es schließlich nur halb so weit wie Bastian von der Mühle aus.
Wernhart atmete tief durch und griff dann noch einmal prüfend unter sein Wams. Der Dolch hing schwer aber sicher an seiner Seite. Es war eine scharfe Waffe und Wernhart begann, sich ein wenig sicherer zu fühlen. Lautlos schlich er die Rheinstraße in Richtung Zollturm hinauf. Vorsichtig setzte er einen Schritt vor den anderen und versuchte dabei, im schwarzen Schatten der Häuserwände zu bleiben. Die andere Seite der Gasse war vom Mondlicht hell erleuchtet und man hätte ihn dort auf große Entfernung klar erkennen können. Aber niemand sollte ihr Vorhaben frühzeitig entdecken. Würde sich die Bruderschaft heute Nacht wieder treffen, müssten ihm die St. Sebastianus-Brüder unweigerlich entgegenkommen, denn Bastian hatte bei seinem nächtlichen Ausflug beobachtet, wie sie einer nach dem anderen von Huppertz` Haus in die Rheinstraße abbogen. Auf keinen Fall durfte Wernhart entdeckt werden. Wer weiß, was die unheimliche Bruderschaft alles mit ihm anstellen könnte. Schon sah er sich in Gedanken umzingelt von singenden schwarzen Gestalten, deren dunkle Kutten im Wind wehten und die ihn mit bösen dämonischen Blicken ansahen. Schnell verscheuchte Wernhart diese düstere Szene vor seinen Augen. Wenn er sich jetzt selbst noch mit seinen eigenen Gedanken in Angst und Schrecken versetzte, würde er es nie bis zu seinem Ziel schaffen. Vorher würde ihn vermutlich ein Herzanfall niederstrecken. Er fühlte, wie sein Herz vor Aufregung laut und kräftig pochte.
Vielleicht war es gar nicht so gut, die Rheinstraße in Richtung Zollturm hinaufzulaufen. Besser wäre es, er würde einen kleinen Umweg gehen und sich aus derselben Richtung, wie Bastian es getan hatte, nähern. Dann könnten sie ihm nicht entgegenkommen und so bestand auch weniger Gefahr, dass sie zufällig in der Dunkelheit über ihn stolperten. Wernhart stoppte und schlich dann in die andere Richtung an seinem Haus vorbei. Schon war er auf dem Schlossplatz angekommen. Der Platz war menschenleer. Der Vollmond schien hell und die Blätter der Bäume bewegten sich im Nachtwind. Licht und Schatten brachten die Blätter zum Tanzen und mit jeder Windböe wurde ihr Tanz schneller. Das Rauschen der Blätter verstärkte sich und fast konnte man ihr Säuseln mit Stimmen verwechseln, die des Nachts herumirrten. Wernhart erschauerte. Tapfer schlich er weiter, immer darauf bedacht, die nächtlichen Schatten nicht zu verlassen.
Nach wenigen Metern nahm er ein klapperndes Geräusch war. Was war das? Ritt der Teufel durch die Nacht? Schon sah er sich von Hufen eines schwarzen Rosses erschlagen an einer Häuserwand liegen, doch dann erkannte er, dass es nur ein klappriger Fensterladen war, der im Rhythmus des Windes auf und zu schwang. Wernhart atmete abermals tief durch und bog dann rechts in die nächste Gasse ein, die in der Verlängerung direkt zum Haus von Huppertz führte. Aus der Ferne hörte er hallende Schritte und dann sah er, wie sich eine
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