Der Sichelmoerder von Zons
nein! Verdammt!
Wernhart war unfähig, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Huppertz hatte die Augen geöffnet und starrte ihn aus dunklen Augenhöhlen an. Beide fixierten sich sekundenlang und dann ergriff der Brudermeister die Initiative und sprang aus dem Bett. Seine Frau kreischte laut auf und plötzlich wich die nächtliche Ruhe dem Chaos. Ein Kissen flog durch das Zimmer und prallte an Wernharts Brust ab. Die Berührung brachte ihn zur Besinnung und so stürzte er, so schnell ihn seine Beine trugen, die Treppe hinab. Er hörte die trampelnden Schritte von Huppertz direkt hinter sich. Der Bruderälteste bewegte sich flinker, als Wernhart vermutet hatte. Sein Wams wurde nach hinten gezerrt, doch er konnte sich mit einem gewaltigen Ruck losreißen. Dann krachte etwas Hölzernes an seinen Schädel und Wernhart sah helle Blitze vor seinen Augen explodieren. Rette den Schlüssel! Das war sein letzter Gedanke, bevor er krachend die Treppe herabfiel und hart auf dem Boden aufschlug. In letzter Sekunde stopfte er sich den Schlüssel samt Kette in den Mund und schluckte ihn würgend hinunter. Das Metall war kalt und sperrig, sodass Wernhart seine ganze Kraft aufwenden musste, um es nicht sofort wieder auszuspeien. Er versuchte seine Speiseröhre zu entspannen und spürte, wie der Schlüssel quälend langsam in seinem Magen ankam. Dann verließen ihn die Sinne.
...
„Wir können ihn nicht der Stadtwache übergeben! Er hat das Gold gesehen!“, Huppertz fuhr Wilhelm böse an und dieser wich sofort einen Schritt zurück.
„Wir behalten ihn erst einmal hier, bis uns etwas Besseres einfällt!“
„Seid Ihr Euch sicher, dass er den Schlüssel gestohlen hat?“
„Wer denn sonst? Was seid Ihr für ein Narr! Ich bin mir sicher, dass ich ihn gestern Abend noch hatte.“
„Das war der letzte Schlüssel. Was fangen wir bloß ohne ihn an?“
„Jetzt regt Euch nicht so auf, Wilhelm! Er wird früher oder später wieder auftauchen, da bin ich ganz sicher!“
„Aber wenn jemand die Truhe öffnet?“
„Hört zu Wilhelm: Selbst wenn es jemandem gelingen sollte, alle drei Schlüssel in seine Gewalt zu bringen, dann heißt es noch lange nicht, dass er auch weiß, wo sich die Truhe befindet!“
Genervt verschloss Huppertz den kleinen feuchten Kellerraum. Dann schob er Wilhelm wie einen kleinen Jungen vor sich her bis ins Obergeschoss. Fürs Erste würde Wernhart nicht entwischen können! Und wenn er die Wahrheit aus ihm herausprügeln müsste, aber Huppertz würde sie von ihm erfahren! Irgendwo musste er den Schlüssel ja versteckt haben! Zuerst hatte er geglaubt, der Schlüssel wäre bei Wernharts Treppensturz abhandengekommen. Doch mittlerweile hatte er das ganze Haus mehrmals auf den Kopf gestellt und ihn immer noch nicht gefunden. Dieser verfluchte Mistkerl! Er musste erst den Schlüssel wiederhaben und ihn dann für immer zum Schweigen bringen! Das Gold hätte er nicht sehen dürfen. Wernhart wusste eindeutig zu viel!
...
Bastian war flau im Magen. Er hätte Wernhart niemals alleine zum Haus von Huppertz schicken dürfen. Er wartete jetzt seit über einer Stunde auf ihn und er ahnte, dass Wernhart nicht kommen würde. Nicht kommen könnte! Sie hatten ihn erwischt. Oh Gott, was sollte er jetzt nur tun? Angestrengt dachte Bastian nach. Seine Wangen glühten förmlich! Sollte er bis heute Nacht warten und dann im Alleingang einen Befreiungsversuch wagen? Nein, nachts erwarten sie dich schon! Sei nicht töricht!
Er musste es am helllichten Tag versuchen. Damit würde die Bruderschaft nicht rechnen! Wo sollte er beginnen? Sollte er sich tatsächlich mitten am Tag in Huppertz` Haus schleichen? Die Mauerstraße war tagsüber ziemlich belebt und Huppertz` Haus befand sich unmittelbar in der Nähe des Zoll- oder Rheinturms. Vielleicht war das gar nicht so schlimm. Unter den vielen Menschen, die zur Zollstelle strömten, würde er gar nicht auffallen!
Bastian machte sich auf den Weg. Er zog einen Karren aus der Mühle hinter sich her. Eigentlich war er für Mehlsäcke gedacht, doch Bastian hatte ihn nicht beladen. Ein dickes Leinentuch verbarg die leere Ladefläche des Karrens vor neugierigen Blicken. Die ganze Zeit musste er an Wernhart denken. Er würde es sich nie verzeihen, wenn ihm etwas Ernsthaftes zugestoßen wäre! Verzweiflung breitete sich in Bastian aus und seine Kehle fühlte sich rau und trocken an. Er sah die bösen Augen von Huppertz und konnte sich lebhaft ausmalen, wozu
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