Der Sichelmoerder von Zons
dieser imstande war. Er sah den armen Wernhart gefesselt und alleine in einem kalten Verlies vor sich, umzingelt von Männern in schwarzen Kutten, mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen. Sie sangen ein unheimliches Lied und dann hielt einer von ihnen eine rotglühende Eisenstange hoch und wollte sie direkt in Wernharts Herz stoßen. Bastian atmete tief durch und verscheuchte diese grauenvolle Vision aus seinen Gedanken.
Sie hatten ihn erst seit letzter Nacht. Noch war es nicht zu spät. Das konnte er genau spüren! Bastian bog in die Mauerstraße ein. Wie er vermutet hatte, tummelte sich eine bunte Menschenmenge in der Straße und so mischte er sich unauffällig unter das Volk. Vor der Haustür von Huppertz blieb Bastian abrupt stehen und ging beherzt hinein. Die Tür war nicht verschlossen. Mit drei schnellen Schritten gelangte er mitten in die Stube. Mit klopfenden Herzen überlegte er, wo er zuerst suchen sollte, da fiel ihm die kleine Holztür am unteren Rand der Treppe auf. Schnell lief er auf Zehenspitzen dorthin. Er konnte Huppertz` Eheweib in der Küche hantieren hören und wollte auf keinen Fall von ihr entdeckt werden.
Die massive Holztür war mit altem verrosteten Eisen beschlagen und ließ sich nur schwer öffnen. Schon befürchtete Bastian, dass sie so laut quietschen würde, dass man es bis auf die Straße hören könne, doch die Tür öffnete sich ohne einen einzigen Laut. Sein Herz klopfte dröhnend in seinen Ohren und das Adrenalin schoss in riesigen Mengen durch seine Blutbahnen. Noch nie hatte er sich tagsüber in ein fremdes Haus gewagt. Seine Sinne waren geschärft. Irgendwo aus dem Kellergewölbe vernahm Bastian ein leises Stöhnen. Das musste Wernhart sein. Vorsichtig stieg er die Kellerstufen hinab. Sie waren in Felsstein gehauen und glitschig und feucht. Schon rutschte Bastian mit dem linken Fuß auf der unebenen Treppe aus und wäre um ein Haar gestürzt, doch er schaffte es rechtzeitig, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Die letzten Stufen schaffte er ohne Schwierigkeiten.
Es war dunkel in diesem Kellergewölbe. Die Luft war muffig und feucht. Durch die Nähte seiner Schuhe drang Wasser ein. Es hatte schon oft Hochwasser in Zons gegeben und Huppertz` Haus lag so dicht am Rhein, dass der Keller fast ständig feucht war. Bastian bewegte sich leise durch die Wasserpfützen vorwärts. Das Stöhnen kam von der linken Seite. Blind tastete er die feuchten Kellerwände ab. Dann stießen seine Hände auf Holz. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Hatte er die Tür zu Wernharts Verlies gefunden? Bastian tastete sich weiter voran und fand schließlich eine dicke Eisenkette mit einem Schloss davor. Er holte sein eisernes Werkzeug, welches er unter seinem Wams versteckt hatte, hervor und machte sich an die Arbeit. Knack! Das Schloss öffnete sich. Die Kette schlug gegen die Holztür und der Laut hallte an den Kellerwänden wider. Sei leise!
„Wernhart? Bist du hier drin?“, flüsterte Bastian aufgeregt. Doch außer Stöhnen kam keine Antwort. Verdammt! Bastian öffnete die Tür einen Spaltbreit weiter und schlüpfte hinein. Ein plötzlicher Windzug ließ die Tür mit einem lauten Knall zuschlagen. Bastian verharrte panisch im Dunklen. Schon konnte er Schritte vernehmen, die polternd die Kellertreppe hinunterstolperten. Bastians Atem stockte. Wer kam da die Treppe herunter?
Ein Lichtschein flackerte durch die Ritzen der Holztür und Bastian presste sich angriffsbereit in die Ecke. Seine Anspannung wuchs ins Unerträgliche. Jeden Moment würde er entdeckt werden! Doch der Lichtschein kam nicht näher.
„Es ist nichts!“, brummte eine dunkle, mürrische Männerstimme, die sich mit jedem Wort weiter von Bastian entfernte. Krach! Mit einem lauten Knall wurde die Tür zum Kellergewölbe geschlossen. Bastians Herz raste und feine Schweißperlen der Angst liefen ihm die Stirn hinunter. Sein Atem ging schlagartig und seine Hände zitterten leicht. Entsetzt lehnte er seinen Kopf an die kühlende Felswand. Das war knapp! Von der anderen Seite des Raumes konnte er wieder ein leises Stöhnen vernehmen. Vorsichtig kroch er über den feuchten Felsboden und erreichte die gegenüberliegende Wand. Mit den Händen tastete er auf dem Boden herum. Stroh! Er konnte die verfaulenden Halme spüren, die sich vom Wasser aufgeweicht wie Seetang um seine Finger schlossen. Ekel stieg Bastians Speiseröhre empor und sein Magen war kurz davor, das karge Frühstücksmahl hinauszuschleudern. Doch er würgte es schnell wieder
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