Der Sichelmoerder von Zons
ihn treffen konnte. Er schlang die Arme um ihre Hüfte, schwang sie sanft durch die Luft und setzte sein empörtes Eheweib wieder auf den Boden ab. In letzter Sekunde berührten seine Lippen ihren Hals zum Kuss. Etwas besänftigter lächelte Marie ihn an.
„Ich sehe Euch, sobald ich mit Pfarrer Johannes gesprochen habe“, flüsterte Bastian ihr ins Ohr. Dann lief er flink die Zehntgasse hinunter und verschwand aus dem Blickfeld der vom Übermut ihres Mannes verzückten Marie.
...
„Das werde ich sehr gerne für Euch tun“, sprach Bruder Ignatius und legte dabei eine seiner riesigen Hände auf Bastians Schulter.
„Bruder Albrecht liegt mir sehr am Herzen und mit ihm natürlich auch alle, die ihm nahe stehen. Seid unbesorgt, er wird Eurem Bruder Heinrich gerne den Trost spenden, den er braucht und ihn - wenn wirklich nötig - auch auf seinem letzten Weg begleiten. Niemand sollte diesen Weg alleine beschreiten!“
Schnell bekreuzigte er sich und blickte Bastian dann wieder mitfühlend an. Die Intensität seiner scharfen Augen ließ Bastian unwillkürlich erschauern. Bisher hatte er lediglich die Ähnlichkeiten zwischen Pfarrer Johannes und seinem Bruder Ignatius wahrgenommen, doch nun sah er in seine Augen und konnte viel mehr erkennen, als die Güte eines Kirchenmannes. Obwohl er viel jünger war als Pfarrer Johannes, sahen seine Augen uralt aus. Fast so, als hätten sie schon viel zu viel gesehen. Zu viel Böses in der Welt! Güte und Härte wechselten sich in seinem Blick ab. Bastian betrachtete Ignatius schlanke Gestalt näher. Er war fast so groß wie er selbst und seine Erscheinung wirkte drahtig und muskulös. Sie gingen ein paar Schritte gemeinsam auf den Altar zu und Bastian kam es so vor, als würde Bruder Ignatius schweben. Mit geschmeidiger Eleganz bewegte er sich neben Bastian her. Die Hände des Ordensmannes waren riesig, mit Schwielen übersät und zerfurcht. Wie konnte ein Mönch die Hände eines Bauern haben? Was tut ein Mönch schon mit seinen Händen außer Beten und vielleicht noch schreiben?
Pfarrer Johannes kam mit zügigen Schritten auf die beiden zu. Der nächste Gottesdienst stand kurz bevor und der Pfarrer traf hektisch die letzten Vorkehrungen. Bastian betrachtete die beiden Brüder, die jetzt direkt nebeneinanderstanden. Pfarrer Johannes war zwar fast drei Köpfe kleiner, als sein leiblicher Bruder, doch die Gesichtszüge der beiden wiesen eine erhebliche Ähnlichkeit auf. Zudem hatten beide graue Haare und ihre Nasen hätte man bedenkenlos gegeneinander austauschen können. Es hätte keinen der beiden entstellt.
„Denkt Ihr an meinen Gefallen, lieber Bastian?“
Bastian grinste und verneigte sich dann höflich.
„Ich denke über nichts anderes nach und Pfarrer Johannes, seid gewiss, dass ich Eurem Wunsch längst dicht auf der Spur bin. Ihr werdet schon sehr bald von mir hören!“
Bruder Ignatius Augen zeigten für einen kurzen Moment Verwirrung über diese Äußerung, doch schnell brachte er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle und blickte mitfühlend drein. Die ersten Gläubigen betraten die Kirche, deren ehrfurchtsvolle Stille nun vom Geflüster der Menschen zerrissen wurde. Die Menschenmenge wurde immer größer und schnell war jede einzelne der Kirchenbänke besetzt. Die beiden Brüder begaben sich nach vorne zum Altar und Bastian gesellte sich zu Wernhart, der gerade auf einer der hinteren Kirchenbänke Platz nahm.
...
Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Sie spürte fürchterliche Schmerzen, war aber so schwach, dass sie noch nicht einmal feststellen konnte, woher diese Schmerzen eigentlich kamen. Ihr eigener Name fiel ihr nicht mehr ein. Sie wusste nur, dass sie hier nicht hingehörte. Dieser dunkle Ort voller Schmerzen war nicht ihr zu Hause. Wie war sie nur hierher geraten? Plötzlich schoss ihr der Name Jakob durch ihren verwirrten Geist. Das war ihr Ehemann.
Es war bitterkalt. Wasser tropfte von den Wänden und ihr Hall brach sich tausendfach in dem finsteren Gewölbe. Die Stetigkeit dieses Geräusches verursachte ein heftiges qualvolles Pochen hinter ihrer Stirn. Tropf, Tropf! Sie wollte ihre Verzweiflung laut hinausschreien, doch ihre Kehle war geschwollen. Mehr als ein glucksendes Röcheln brachte sie nicht hervor. Tränen liefen ihr aus den Augen. Für einen Moment klärte sich ihr verwirrter Geist auf. Wie in einer Vision durchlebte sie noch einmal diesen schrecklichen Augenblick, als die grauenvolle Gestalt ihr mit
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