Der Sichelmoerder von Zons
an.
Dieser lehnte den Kopf zurück und tat wie ihm geheißen.
„Bastian, haltet seinen Kopf so fest Ihr könnt. Die Kette steckt verdammt tief in ihm drin. Ich befürchte, auf diesem Wege bekommen wir sie nicht heraus!“
Josef runzelte konzentriert die Stirn und griff abermals nach dem glitschigen Ende der Kette. Wie ein Aal glitt sie ihm aus der Hand. Er probierte es ein weiteres Mal, diesmal mit einem trockenen Leinentuch und siehe da, er hatte das Ende fest zwischen seinen Fingern. Langsam versuchte Josef das sperrige Ding aus Wernharts Speiseröhre herauszuziehen, doch es bewegte sich nur wenige Millimeter hoch und runter. Dann spürte er einen Widerstand. Nein! Es war zu gefährlich, weiter an dieser Kette zu ziehen. Josef wollte ihm auf keinen Fall die Speiseröhre aufreißen und ihn so womöglich noch dem Tode weihen. Er hatte schon mit angesehen, wie Menschen litten, die von ihrer eigenen Magensäure aufgefressen wurden.
„Wir müssen es anders versuchen! Bastian holt mir einen großen Eimer mit Wasser.“
Mit diesen Worten ging Josef zu seinem Medizinschrank und nahm eine Flasche mit Rizinusöl heraus. Er öffnete die Flasche und goss einen großen Schluck in eine Holzschale hinein.
„Hier, Wernhart, trinkt die Schale ganz aus. Und diesen Eimer mit Wasser hier werdet Ihr bis zum Abend leeren. Eure Notdurft verrichtet Ihr dort hinten und lasst bitte alles in den Eimer fallen. Mit etwas Glück haben wir den Schlüssel bis morgen früh aus Euch herausgespült.“
„Ihr werdet über diesen Fund doch Stillschweigen bewahren?“, fragte Bastian und blickte Josef dabei tief in die Augen.
„Weder über die Schlüsselkette, welche wir aus dem armen Benedict herausgezogen haben, noch über diese hier, die hoffentlich bald Wernharts Gedärme verlässt, wird je ein Wort über meine Lippen kommen. Da könnt Ihr Euch ganz sicher sein, mein lieber Bastian.“
Ein würgendes Geräusch ließ die beiden innehalten. Sie blickten sich um. Der arme Wernhart wand sich wie ein Wurm, den Körper vor Schmerzen gekrümmt. Dann lief er schnell wie ein Eichhörnchen und gebeugt, wie ein alter Mann zu der Stelle für seine Notdurft. Die Geräusche waren eindeutig: Wernhart übergab sich!
X
Gegenwart
Ihr war so übel von der Hitze, die in diesem winzigen stickigen Raum herrschte, dass sie von der Heftigkeit ihrer Magenkrämpfe fast ohnmächtig wurde. Mühsam würgte sie die bittere und saure Flüssigkeit, die sich abermals ihre Speiseröhre hochkämpfte wieder hinunter. Jetzt bloß nicht übergeben! Sie atmete tief durch. Es war heiß und dunkel. Nur durch eine winzige Ritze fiel ein heller Lichtschein. Erkennen konnte sie trotzdem nichts außer Finsternis. Du weißt ja gar nicht, wo du bist! Wieder durchfuhr eine Krampfwelle ihren Körper und diesmal schaffte sie es nicht, dagegen anzukämpfen. In einer riesigen Fontäne spie sie ihren Mageninhalt aus. Ein stinkender saurer Geruch breitete sich um sie herum aus und ihr Atem stockte. Angewidert versuchte sie sich wegzudrehen, doch es gelang ihr nicht. Ihre Arme und Beine waren fest verschnürt. Sie konnte sich weder vor noch zurückbewegen. Kraftlos ließ sie ihren Kopf nach unten fallen und landete dabei mit ihrer rechten Wange direkt in ihrem eigenen Erbrochenen. Gequält fing sie an zu schluchzen. Schon liefen ihr die Tränen in dicken Kullern über die Wangen. Jetzt reiß dich zusammen! Überlege lieber, wie du hier raus kommst! Spare deine Energie! Sie biss sich auf die Unterlippe und der Tränenstrom versiegte. Ihr Atem ging schwer.
Der Raum, in dem sie gefangen war, veränderte sich plötzlich. Sie schwebte! Metall schürfte auf Metall und kreischte laut auf. Dann fiel sie nach unten und der Absturz endete mit einem dumpfen Aufprall. Das kreischende Metallgeräusch schien näher gekommen zu sein. Die Schallwellen der schneidenden Laute fraßen sich in ihren Verstand und sie bekam eine Gänsehaut. Sie konnte diese Töne nicht zuordnen. War sie im Vorhof der Hölle gelandet? Was verursachte nur diese schweren Geräusche, die wie von riesigen metallischen Maschinen ausgelöst um ihren Kopf sausten?
Das Letzte, an das sie sich erinnerte, war das Gespräch mit einem ihrer Kunden auf einer Abendveranstaltung. Sie sah den großen Cocktail vor sich, aus dem sie genüsslich getrunken hatte. Doch ab diesem Zeitpunkt verlor sich die Spur und ihr Gedächtnis weigerte sich standhaft, die Erinnerung an das danach Erlebte preiszugeben.
...
Jedes Mal
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