Der Sichelmoerder von Zons
hinunter.
Dann stieß seine Hand auf etwas Ledernes. Es war ein Schuh. Hektisch tastete Bastian weiter in der Dunkelheit. Hier lag jemand. War es Wernhart? Wieder vernahm er leises Stöhnen. Bastian nahm den Kopf des wimmernden Mannes in die Hände und schüttelte ihn leicht.
„Bist du das Wernhart? So wach doch auf!“
Nichts. Bis auf ein leises Wimmern kam kein Laut über die Lippen des Mannes. Bastian tastete den Hinterkopf ab und konnte eine klebrige Flüssigkeit spüren. Er leckte seinen Finger ab und schmeckte etwas Metallisches. Es war Blut. Der arme Kerl hier hatte vermutlich eine riesige Kopfwunde. Es musste Wernhart sein! Bastian spannte seine Muskeln an und lud den schweren Körper auf seine breiten Schultern. Das Gewicht des Mannes betrug mindestens zwei Mehlsäcke, doch Bastian hatte in seinem Leben als Müllerssohn schon schwerer geschleppt. Mühelos bewegte er sich mit seiner schweren Last über den glitschigen Boden des Kellergewölbes. An der Treppe angekommen, verharrte er einen Moment regungslos und lauschte angestrengt. Oben herrschte Stille! Ob sie vor der Tür auf ihn lauerten? Aber einen anderen Ausgang gab es nicht. Er musste es versuchen! Zumindest war der Überraschungseffekt auf seiner Seite. Bastian rief sich noch einmal die Stube ins Gedächtnis. Er musste nur mit fünf schnellen Schritten die Stube durchqueren, um dann die Straße zu erreichen. Wenn er es erst einmal nach draußen geschafft hatte, würde es sicherlich niemand wagen, ihn anzugreifen. Jeder kannte ihn als Mitglied der Stadtwache und Huppertz würde sich keinen Gefallen damit tun, ihn in sein Haus zurückzuzerren.
Oben herrschte immer noch Stille. Bastians Herz schlug so heftig, dass er das Gefühl hatte, seine Rippen könnten bersten. Er atmete tief ein und konzentrierte sich. Du kommst hier raus! Leise nahm er Stufe für Stufe und wich dabei den Unebenheiten, die ihn beim Hinabsteigen fast zu Fall gebracht hätten, geschickt aus. Auf der letzten Stufe hielt er inne. Wernhart stöhnte leise auf seinen Schultern.
Hoffentlich wacht er nicht ausgerechnet jetzt auf, fuhr es Bastian panisch durch den Kopf.
Schnell drückte er an der schweren Kellertür und schob sie unmerklich einen Spaltbreit auf. Das Licht war grell und seine Augen brauchten einen kurzen Moment, um sich daran zu gewöhnen. Er lugte durch den Spalt. Die Stube schien leer. Sein Herz hämmerte mittlerweile so laut, dass selbst der Hammer des Schmiedes es nicht würde übertönen können. Schweiß lief ihm über die Stirn und er spürte, wie das schwere Gewicht Wernharts ihm langsam zu schaffen machte. Jetzt oder nie! Bastian stieß die Tür mit einem Ruck auf und lief mit den schnellen, geschmeidigen Schritten eines Tigers zur Haustür. Die Stube war leer. Niemand bemerkte seine Flucht. Er riss die Haustür auf und eilte mit seiner Last auf die gegenüberliegende Straßenseite. Eine Frau sah ihn erstaunt mit aufgerissenen Augen an, doch Bastian schenkte ihr keine Beachtung. Schnell hob der die Leinendecke hoch und warf seine schwere, menschliche Last unsanft auf den Karren. Gott sei Dank! Es war Wernhart. Ein kurzer Blick auf seinen blutüberströmten Freund sagte ihm, dass er sofort Josef Hesemann, den Zonser Arzt, aufsuchen musste. Zügig schlug er das Leinentuch über Wernhart und verließ so schnell er konnte die Mauerstraße.
...
Wernharts Atem ging flach. Aber wenigstens hatte er das Bewusstsein wiedererlangt. Erschöpft saß er auf einem Stuhl vor Bastian und dem Arzt Josef Hesemann, die ihn immer noch besorgt betrachteten. Röchelnd und würgend hatte Wernhart von seinem nächtlichen Abenteuer in Huppertz` Haus und von der verschluckten Kette berichtet. An seinem Hinterkopf klaffte eine riesige Kopfwunde, doch der Arzt hatte beschlossen, zuerst die Schlüsselkette aus Wernharts Schlund zu entfernen. Es war eine gute Idee gewesen, es dem Fahnenträger Benedict Eschenbach gleichzutun und die Kette samt Schlüssel zu verschlucken, um sie so vor dem Zugriff des Bruderältesten Huppertz zu schützen. Doch einen so großen Gegenstand hinunterzuwürgen war nicht so einfach und konnte zudem den Schlund verletzten und außerdem zu extremer Übelkeit führen.
Josef Hesemann befestigte vorsichtig zwei Holzspangen zwischen Wernharts Ober- und Unterkiefer. Er fasste langsam in seinen Schlund hinein. Wernhart begann zu würgen und versuchte, seinen Kopf anzuheben.
„So haltet doch endlich still!“, befahl Josef und sah Wernhart streng
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