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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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der Teufel die großen Pranken eines Bären. Und einer Sache sei dir sicher: Wenn er kommt, wird er keine Altäre für dich bauen.«
    Dann legte der Besucher beide Hände auf den Altar. »Das ist jetzt mein Altar«, sagte er, »egal, wer ihn gebaut hat, ich kann ihn zu meinem Zwecke nutzen.«
    Thrower weinte vor Erleichterung. »Jetzt ist er geweiht, Ihr habt ihn geheiligt.«
    Und er streckte eine Hand vor, um den Altar zu berühren.
    »Halt!« flüsterte der Besucher. Obwohl es beinahe ohne Stimme geschah, besaß sein Wort die Kraft, die Wände zum Beben zu bringen. »Hör mich erst an«, sagte er.
    »Ich höre Euch immer zu«, erwiderte Thrower. »Obwohl ich nicht weiß, weshalb Ihr einen solch unwürdigen Wurm wie mich dazu auserwählt haben solltet.«
    »Selbst ein Wurm kann durch die Berührung des Fingers Gottes wachsen«, sagte der Besucher. »Nein, versteh mich nicht falsch – ich bin nicht der Herr der Heerscharen. Bete mich nicht an.«
    Doch Thrower konnte sich nicht beherrschen. Er weinte vor Hingabe, kniete vor diesem weisen und mächtigen Engel nieder. Ja, ein Engel, daran hegte Thrower keinen Zweifel, obwohl der Besucher keine Flügel besaß und Kleider trug, wie man sie im Parlament erwartet hätte.
    »Der Mann, der den Altar erbaut hat, ist verwirrt. Nach Mord steht ihm der Sinn, und wenn er hinreichend herausgefordert wird, wird dieser Drang hervortreten. Und der Junge, der die Kreuze gemacht hat, ist tatsächlich so außergewöhnlich, wie du glaubst. Doch ist er bisher noch keinem Leben zum Guten oder zum Bösen geweiht worden. Beide Pfade liegen noch offen vor ihm, und er ist noch offen für jede Beeinflussung. Verstehst du mich?«
    »Ist das meine Arbeit?« fragte Thrower. »Soll ich alles andere vergessen und mich der Aufgabe ergeben, das Kind der Rechtschaffenheit zuzuführen?«
    »Wenn du allzu ergeben wirkst, werden seine Eltern dich ablehnen. Statt dessen solltest du dein Amt so ausüben, wie du es vorhattest. Doch in deinem Herzen wirst du alles auf dieses außergewöhnliche Kind ausrichten, um es für meine Sache zu gewinnen. Denn wenn er vierzehn Jahre geworden ist und mir immer noch nicht dient, werde ich ihn vernichten.«
    Schon der bloße Gedanke, daß Alvin Junior etwas zustoßen oder daß er getötet werden könnte, war für Thrower unerträglich. Er erfüllte ihn mit einem solchen Gefühl des Verlusts, wie es kein Vater und keine Mutter hätte empfinden können. »Ich werde alles tun, was ein schwacher Mensch vermag, um das Kind zu retten«, rief er, und die Qual verwandelte seine Stimme beinahe in einen Schrei.
    Der Besucher nickte, lächelte sein schönes und liebevolles Lächeln und streckte Thrower die Hand entgegen. »Ich vertraue dir«, sagte er leise. Seine Stimme war wie heilendes Wasser auf einer brennenden Wunde. »Ich weiß, daß du Gutes tun wirst. Und was den Teufel angeht, so brauchst du ihn nicht zu fürchten.«
    Thrower griff nach der dargebotenen Hand, um sie mit Küssen zu bedecken; doch als er sie berühren wollte, griff er ins Leere: Der Besucher war wieder verschwunden.

9. Geschichtentauscher

    Es gab einmal eine Zeit, wie sich Geschichtentauscher gut erinnern konnte, da er einen Baum besteigen und über Hunderte von Quadratmeilen dichten Wald blicken konnte. Eine Zeit, da Eichen hundert Jahre alt wurden oder älter, eine Zeit, da der Wald so dicht war, daß er kaum vom Licht der Sonne durchdrungen wurde.
    Doch diese Welt ewiger Dämmerung verging mehr und mehr. Zwar gab es noch immer Gegenden, wo Rote leise dem Wild nachschlichen und wo Geschichtentauscher das Gefühl hatte, sich in der Kathedrale Gottes zu befinden. Doch solche Stellen waren inzwischen so selten geworden, daß Geschichtentauscher in diesem letzten Jahr der Wanderschaft nicht einen Tag gereist war, an dem er einen Baum hätte erklimmen können, ohne im Walddach eine Unterbrechung wahrzunehmen. Das ganze Land zwischen dem Hio und dem Wobbish wurde besiedelt, langsam aber gleichmäßig, und schon jetzt konnte Geschichtentauscher von einem Hügel aus drei Dutzend Kochfeuer erblicken, die ihre Rauchsäulen geradewegs in die kalte Herbstluft emporschickten. Und in jeder Richtung hatte man den Wald gerodet, hatte das Land gepflügt, es bepflanzt und beackert und hatte geerntet, so daß dort, wo einst große Bäume die Erde vor dem Auge des Himmels abgeschirmt hatten, der Boden nun nackt war und darauf wartete, daß der Winter seine Scham bedeckte.
    Geschichtentauscher erinnerte sich an seine Vision

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