Der siebente Sohn
Thrower, doch wußte er nicht, was er noch sagen sollte. Ihm war noch nie der Gedanke gekommen, daß Brustwehr möglicherweise an solche Dinge glauben könnte – eine neue, verblüffende Perspektive. Schließlich war es eine Sache, sich der Hexerei zu enthalten, weil sie Unfug war, aber eine ganz andere, an sie zu glauben und sich ihrer zu enthalten, weil sie unrechtmäßig war. Für Thrower war die Verachtung der Hexerei eine bloße Angelegenheit der Vernunft, während sie für Brustwehr und Eleanor ein erhebliches Opfer darstellte.
Bevor er eine Möglichkeit gefunden hatte, diesen Gedanken zu äußern, lehnte sich Brustwehr jedoch auf seinem Stuhl zurück und wechselte das Thema.
»Schätze, Eure Kirche ist fast fertig.«
Erleichtert folgte Reverend Thrower Brustwehr auf sichereren Boden. »Gestern ist das Dach fertig geworden, und heute haben sie alle Bretter an den Wänden befestigen können. Morgen wird sie mit Fensterläden versehen, und wenn wir sie erst lackiert und die Türen eingehängt haben, wird sie so wasserdicht sein wie man es sich nur denken kann.«
»Ich lasse das Glas für die Fenster per Schiff kommen«, sagte Brustwehr. Dann zwinkerte er. »Ich habe nämlich das Problem des Transports auf dem Eriesee gelöst.«
»Wie habt Ihr das denn geschafft? Die Franzosen versenken doch jedes Boot, selbst wenn es aus Irrakwa kommt.«
»Ganz einfach. Ich habe das Glas in Montreal bestellt.«
»Französisches Glas für die Fenster einer britischen Kirche!«
»Einer amerikanischen Kirche«, berichtigte ihn Brustwehr. »Und Montreal ist auch eine Stadt in Amerika. Außerdem mögen die Franzosen zwar versuchen, uns loszuwerden, bis dahin stellen wir jedoch einen Markt für ihre Manufakturen dar, daher hat der Gouverneur, der Marquis de la Fayette, nichts dagegen, daß seine Leute einen Handelsgewinn machen, solange wir noch hier sind. Sie verschiffen die Ware um den Michigansee herum und bringen sie dann den St. Joseph hinauf und den Tippy-Canoe hinunter.«
»Werden sie es vor dem schlechten Wetter noch schaffen?«
»Ich glaube schon«, erwiderte Brustwehr, »sonst bekommen sie nämlich keine Bezahlung.«
»Ihr seid ein erstaunlicher Mann«, sagte Thrower. »Aber ich wundere mich doch, daß Ihr dem britischen Protektorat so wenig Loyalität entgegenbringt.«
»Nun, so ist das eben«, meinte Brustwehr. »Ihr seid unter dem Protektorat aufgewachsen, daher denkt Ihr noch immer wie ein Engländer.«
»Ich bin Schotte, mein Herr.«
»Dann eben Brite. In Eurem Land wurde doch jeder, von dem das Gerücht umging, er würde die geheimen Künste ausüben, sofort ins Exil geschickt, kaum daß man sich um einen Prozeß bemüht hätte, nicht wahr?«
»Wir versuchen gerecht zu sein – aber die kirchlichen Gerichte sind schnell, und es gibt keine Möglichkeit des Einspruchs.«
»Nun, dann denkt doch einmal darüber nach. Wenn jeder, der ein Talent für die geheimen Künste besaß, in die amerikanischen Kolonien verbannt wurde, wie solltet Ihr da jemals in Eurer Jugend auch nur die Spur von Hexerei kennenlernen?«
»Ich habe sie nicht kennenlernt, weil es so etwas nicht gibt.«
»In Britannien gibt es so etwas nicht. Aber es ist der Fluch der guten Christen in Amerika, weil wir bis zum Hals in Fackeln, Rutengängern, Sumpfstampfern und Hexern stehen, und hier kann kein Kind auch nur vier Fuß groß werden, ohne irgendwann einmal gegen den Abwehrzauber eines anderen zu prallen oder zum Opfer des Allessagen-Zaubers irgendeines Tunichguts zu werden, so daß es alles ausspricht, was ihm gerade in den Sinn kommt, und im Umkreis von zehn Meilen jedermann beleidigt.«
»Ein Allessagen-Zauber! Also wirklich, Bruder Brustwehr, Ihr wißt doch sicherlich selbst, daß schon eine Spur Schnaps ebensoviel erreichen kann.«
»Nicht bei einem zwölfjährigen Jungen, der nie in seinem Leben auch nur einen Tropfen davon angerührt hat.«
Offensichtlich sprach Brustwehr aus eigener Erfahrung, doch das änderte nichts an den Tatsachen. »Es gibt immer auch andere Erklärungen.«
»Es gibt jede Menge Erklärungen, die man sich für alles mögliche ausdenken kann«, meinte Brustwehr. »Aber ich will Euch eins sagen. Ihr könnt getrost gegen die Zauberei predigen und werdet immer noch eine Gemeinde behalten. Aber wenn Ihr weiterhin sagt, daß Zauberei nicht funktioniert, nun, ich schätze, dann werden die meisten Leute sich wohl fragen, warum sie den ganzen Weg zur Kirche zurücklegen müssen, nur um sich die Predigt eines Narren
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