Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Wolken den Mond, Regen durchtränkte die Lords, beeinträchtigte ihre Nachtruhe. Als Korik sie in der letzten Schwärze unmittelbar vor der morgendlichen Dämmerung rief, warfen sie beide sofort ihre Decken beiseite und standen auf.
Korik deutete hinaus in die Nacht. In der Finsternis sah man im Dschungel eines Inselchens, das genau auf ihrem Kurs lag, ein schwaches Licht. Es flackerte, schwand bisweilen ganz, als handele es sich um ein ersterbendes, mit feuchtem Holz entzündetes Feuer, enthüllte jedoch nichts. Die Lords spähten hinüber, während sich das Floß dem Inselchen näherte.
»Das ist ein Licht, das irgend jemand entfacht hat«, sagte schließlich Lord Shetra im Flüsterton. »Es ist nichts Natürliches der Sarangrave-Senke.«
Der Bluthüter stimmte zu. Im Regen waren keine der zur Lichterzeugung fähigen Tiere beziehungsweise Insekten der Senke unterwegs.
»Lenkt das Floß zur Insel!« gebot Shetra leise. »Wir müssen wissen, wer das Licht geschaffen hat.«
Korik erteilte die entsprechenden Befehle. Die Bluthüter mit den Staken steuerten das Floß zum diesseitigen Zipfel der Insel. Als es nur noch zehn Meter vom Ufer entfernt war, ließen sich die Bluthüter Doar und Pren ins Wasser gleiten. Sie schwammen zum Inselchen voraus und verschwanden dort im Unterholz. Die Steuerleute drehten das Floß bei, so daß es nah genug an der Insel vorbei flußabwärts schwamm, um ans Ufer springen zu können. Die kleine Insel war lang und schmal. Während die Truppe daran entlangstakte, den unteren Ästen fast zum Greifen nah, konnte sie den Lichtschein besser erkennen. Die Helligkeitsquelle war ein winziges Flämmchen – ein schwächliches Feuerchen wie von einer einzelnen Fackel. Und ringsherum ließ sich nichts erkennen; nur die Schatten der Bäume zwischen der Flamme und dem Floß waren sichtbar.
Als das Floß ein Stück weiter war, erlosch der Schein plötzlich. Beide Lords fuhren zusammen und hoben ihre Stäbe, bewahrten jedoch Schweigen. Die Bluthüter, die sich als Steuermänner betätigten, stemmten sich gegen ihre Staken, bis die Floßseite das Ufer berührte. Fast sofort sprangen aus dem Dunkeln Doar und Pren auf die Balken, zwischen sich die verkommene Gestalt eines Menschen. Unverzüglich stießen die Steuermänner das Floß wieder ab und lenkten es zurück in die Hauptströmung. Lord Hyrim beugte sich hinab und entzündete eine Lillianrill -Fackel. Im Regen brannte die Fackel nur mangelhaft, erlaubte jedoch einen Blick auf den Mann. Sein Gesicht und die Gliedmaßen waren gestreift von Dreck und Schmiere, verklebt mit Blut aus zahlreichen winzigen Wunden, Schnitten und Kratzern. Das Weiß seiner Augen glitzerte, umkrustet von Blut und Schmutz. Seine Kleidung zeugte nicht weniger als die Wunden seines Körpers und seine Verunreinigung von einem langen Kampf ums Überleben in der Sarangrave-Senke. Reste seiner Kriegertracht hingen ihm fetzenweise am Leib. Nur ein Stück seiner Kleidung war unbeschädigt. Er trug eine verkratzte metallene Brustplatte, unterm Unrat noch gelb, mit einem schwarzen diagonalen Zeichen.
»Bei den Sieben«, rief Shetra. »Ein Streitwart!« Sie faßte den Mann an den Schultern. Aber sofort schrak sie zurück, als habe sie sich an ihm verbrannt. »Melenkurion!« schrie sie auf. »Streitwart, was ist dir angetan worden? Dein Fleisch ist wie Eis!« Nichts an dem Mann ließ erkennen, daß er sie gehört hatte. Er stand, wo Doar und Pren ihn hingestellt hatten, den Kopf zur Seite gesunken. Seine Atmung war flach. Er regte sich so gut wie überhaupt nicht; nur seine Wimpern zuckten in unnatürlich langen Abständen. Doch Shetra wartete ohnehin keine Antwort ab. »Hyrim«, sagte sie, »dieser Mann erfriert.« Sie packte ihre Decke und warf sie ihm um. Lord Hyrim verstärkte seine Fackel zu einem Feuer. Er erhitzte auf den Flammen in einem Steinguttopf Wasser, bis es abgekocht war, während Shetra den Mann am Feuer zurechtsetzte. Sie hielt ihm den Kopf und ließ Frühjahrswein zwischen seine Lippen sickern. Die Kälte seiner Haut schien ihr die Finger abzufrieren. Sie und Hyrim schützten ihre Hände mit Decken und streckten den Mann neben dem Feuer aus, um ihn seiner Lumpen zu entledigen. Mit dem heißen Wasser wuschen sie ihn. Als er einigermaßen gesäubert war, holte Lord Shetra aus dem Gewand ein kleines steinernes Gefäß voller Heilerde und strich etwas davon auf die schlimmsten Verletzungen. Die Morgendämmerung brach an, während es noch regnete. In der
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