Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
dem Proviant der Truppe tauchten. Von Cerrin und Lord Shetra allerdings sah man keine Spur. Hyrim hustete fürchterlich – er hatte einiges von dem widerwärtigen Wasser geschluckt –, aber er raffte sich auf die Füße hoch. »Rettet sie!« keuchte er. Doch die Bluthüter unternahmen nichts. Der Erfolg des erteilten Auftrags lag in ihren Händen. Und sie wußten, daß Cerrin noch lebte. Er hätte sie zu Hilfe gerufen, wäre ihr Beistand den hohen Preis wert gewesen.
»Ich hab's versucht«, ächzte Hyrim. »Aber ich kann nicht schwimmen. Ach, Nichtswürdigkeit!« Krampfartige Zuckungen befielen ihn; er riß die Arme weit auseinander. »Shetra!« brüllte er in den Regen. Ein ungeheurer Blitz schlug aus seinem Stab ins Wasser und bis auf den Grund des Flußbetts. Dann brach er zusammen und sackte Sill in die Arme.
Der Blitz hatte offenbar irgendeine Wirkung. An der Stelle von Lord Shetras Verschwinden fing der Fluß an zu brodeln. Ein Aufruhr im Wasser stieß Blutschwälle und Klumpen von schwarzem Fleisch an die Oberfläche. Dampf erhob sich aus dem Strom. Kurz ließ sich tief drunten im Unflatfluß ein blaues Aufblitzen erkennen. Dann erschütterte ein Knall wie ein Donnerschlag den Erdboden. Der Fluß zischte wie ein Quälgeist. Und die Verdickung der Luft schwand. Sie verflog, als werde sie zur Sarangrave-Senke hinausgespült. Die Bluthüter wußten, nun war Cerrin tot. Nur ein weiteres Anzeichen zeigte sich noch von Lord Shetras Ringen. Porib sah es zuerst und sprang in den Fluß, um es zu bergen. Wortlos übergab er den Gegenstand Lord Hyrims Händen – Lord Shetras Stab. Zwischen seinen mit Metall umhüllten Enden war er völlig verkohlt und brüchig. Er barst in Hyrims Griff wie Reisig. Der Lord entzog sich Sills Obhut, setzte sich rücklings an einen Baum. Während unverhohlene Tränen über seine Wangen liefen, drückte er die Bruchstücke von Shetras Stab an seine Brust.
Aber die Gefahr war nicht vorüber. »Der Lauerer ist nicht tot«, wandte sich Korik um seines Eids willen an den Lord. »Wir haben ihn hier nur abgewiesen. Wir müssen weiter.«
»Weiter?« meinte Hyrim. »Weiter? Shetra ist tot. Wie kann ich weiter? Ich habe sogleich befürchtet, daß euer Eid eine Stimme sei, die das Böse in der Sarangrave-Senke hören kann. Doch ich habe geschwiegen.« Sein Tonfall bezeugte Bitterkeit. »Ich habe geglaubt, ihr würdet davon sprechen, wäre meine Sorge gerechtfertigt.« Wieder wußten die Bluthüter nichts zu antworten. Sie hatten nicht ohne jeden Zweifel oder die Möglichkeit eines Irrtums davon ausgehen können, daß der Lauerer ihre Gegenwart so wachsam beachtete. Und so viele Manifestationen von Kraft waren nicht, was sie zu sein schienen. Aus Respekt vorm Kummer des Lords überließen sie ihn vorerst sich selbst, während sie das Floß zur Fortsetzung der Fahrt vorbereiteten. Die Steuermänner hatten die Staken und die Vorräte sowie einen Großteil des Clingor und der Lillianrill -Fackeln retten können, aber keine Kleidung und Decken. Das Floß selbst war unbeschädigt. Dann besprach sich Korik mit Runnik, Pren und Porib, erteilte ihnen den Auftrag, Hoch-Lord Elena vom bisherigen Schicksal der Entsatztruppe zu unterrichten. Die drei übernahmen die Aufgabe mit der Bluthütern eigenen Selbstverständlichkeit, warteten jedoch, bis die Truppe abfuhr, bevor sie wieder den Weg nach Westen antraten. Sobald alle Vorbereitungen getroffen waren, richteten Korik und Sill Lord Hyrim zwischen sich auf und führten ihn wie ein Kind hinab zum Ufer und aufs Floß. Er wirkte unwohl. Vielleicht bereitete das Flußwasser, das er geschluckt hatte, ihm Übelkeit. Als die Steuerleute das Floß in die Mitte des Unflatflusses hinauslenkten, begann er bei sich zu murmeln. »Damit ist noch nichts zu Ende. Es werden Schmerzen und Schrecknisse folgen, die das hier weit in den Schatten stellen. Hyrim, Hooles Sohn, du bist ein Feigling.« Dann war die Truppe erneut auf und davon. Runnik, Pren und Porib traten den Rückweg durch den Dschungel der Sarangrave-Senke an.
Das Feuer war wieder herabgeglüht, und ohne seinen Helligkeitsschein konnte Troy nichts sehen – nichts, das die Bilder von Tod und Trauer in seinem Bewußtsein hätte verdrängen können. Er wußte, es gab Fragen, die er Runnik stellen sollte, aber inmitten der Dunkelheit schienen sie unwichtig zu sein. Es wühlte ihn auf, daß Shetra schon vor zehn Tagen gefallen war; er empfand ihren Verlust zu unmittelbar für eine derartige zeitliche Lücke.
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