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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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darin roch schal.
    An der Rückwand saß am Boden ein Riese.
    Selbst mit angezogenen Beinen reichte er so hoch wie ein Bluthüter. Seine starren Augen fingen das Licht ein und glänzten. Er lebte. Flache Atemzüge bewegten seinen Brustkorb, und aus einem Mundwinkel rann ihm ein dünner Speichelfaden in den struppigen Bart. Doch er rührte sich nicht, als die vier die Kammer betraten. Kein Blinzeln oder Zucken seiner Augen verriet, ob er ihre Anwesenheit bemerkte. Erfreut lief Lord Hyrim auf ihn zu, blieb jedoch ruckartig stehen, als er den wie versteinerten Ausdruck des Grauens im Gesicht des Riesen sah. Korik näherte sich dem Riesen und berührte einen seiner nackten Arme, die die Knie umschlangen. Der Riese war nicht kalt; es handelte sich um keinen solchen Fall wie bei Hoerkin. Korik schüttelte am Arm des Riesen, aber ohne Ergebnis. Der Riese hockte nur da und stierte blicklos blind zum Eingang. In stummer Fragestellung schaute Korik den Lord an. Als Hyrim nickte, schlug er den Riesen ins Gesicht. Sein Kopf wankte unter dem Hieb, aber er schrak nicht aus seiner Erstarrung. Ohne ein Wimpernzucken hob er den Kopf wieder in die vorherige Haltung und stierte weiterhin geradeaus. Korik machte Anstalten, ihn noch einmal und kräftiger zu schlagen, aber Lord Hyrim hielt ihn zurück. »Du darfst ihn nicht verletzen, Korik. Er ist uns verschlossen.«
    »Wir müssen ihn erwecken«, sagte Korik.
    »Ja«, erwiderte Hyrim, »ja, das müssen wir.« Er trat dicht vor den Riesen. »Steinbruder«, rief er. »Hör mich an! Ich bin Hyrim, Hooles Sohn, Lord im Großrat der Lords zu Schwelgenstein. Vernimm meine Worte! Im Namen aller Entwurzelten, im Namen der Freundschaft und des Landes, beschwöre ich dich! Öffne mir deine Ohren!« Der Riese gab keine Antwort. Seine langsamen Atemzüge beschleunigten sich nicht; sein sinnentleertes Stieren blieb unverändert. Lord Hyrim trat zurück und musterte den Riesen. »Lös eine seiner Hände«, wies er dann Korik an. Er rieb an einem der eisernen Enden seines Stabs, und als er seine Hand fortnahm, lohte eine blaue Flamme aus dem Metall. »Ich will's mit dem Caamora versuchen, dem Feuer des Grams.«
    Korik verstand. Das Caamora war ein Ritual, mit dem die Riesen sich von Trauer und Zorn zu läutern pflegten. Gewöhnliche Flammen konnten ihnen nichts anhaben, schmerzten jedoch, und diesen Schmerz benutzten die Riesen als Hilfe zum Wiedererlangen der Selbstbeherrschung. Rasch zerrte Korik die Rechte des Riesen von dessen Bein und bog den Arm zurück, so daß er die Hand Lord Hyrim entgegenstreckte.
    »Stein und See«, stöhnte der Lord gedämpft. »Stein und See ...!« Er verstärkte das Lodern des Lord-Feuers.
    Die Hand des Riesen hing reglos in den Flammen, aber das Feuer verbrannte sie nicht. Dann aber zuckte sie, tastete, ballte sich zur Faust. Der Riese schob seine Hand tiefer ins Feuer, obwohl sich seine Finger vor Schmerz krümmten. Plötzlich atmete er mit einem heftigen Ruck ungleichmäßig, aber gründlich durch. Sein Kopf fuhr rückwärts und prallte gegen die Wand, sackte danach vornüber auf seine Knie. Doch er hielt die Hand weiterhin ins Feuer. Als er den Kopf erneut hob, waren seine Augen voller Tränen. Er zitterte und keuchte, zog die Hand zurück. Sie war unversehrt. Sofort löschte Lord Hyrim seine Flamme. »Steinbruder«, rief er unterdrückt. »Steinbruder, vergib mir!«
    Der Riese starrte seine Faust an. Einige Zeit verstrich, während ihm die Situation langsam wieder zu Bewußtsein kam. Endlich bemerkte er den Lord und die Bluthüter. Er zuckte schlagartig zusammen, hob blitzartig beide Hände an die Seiten seines Kopfs, keuchte auf. »Ich lebe?« Ehe Lord Hyrim antworten konnte, sprach er weiter. »Was ist mit den anderen? Meinem Volk?«
    Lord Hyrim klammerte sich um Halt an seinen Stab. »Alle tot.«
    »Ach!« stöhnte der Riese. Seine Hände fielen auf die Knie, und er lehnte seinen Kopf an die Felswand. »O du mein Volk!« Tränen strömten wie Blut über seine Wangen. Der Lord und die Bluthüter beobachteten ihn stumm und warteten. Schließlich linderte sich sein Kummer, die Tränen versiegten. »Er hat mich«, murmelte er wie in einer Niederlage, als er den Kopf wieder von der Felswand hob, »bis zuletzt übriggelassen.«
    Mit merklicher Anstrengung zwang Lord Hyrim sich zu einer Frage. »Wer ist's?«
    Der Riese antwortete in grämlichem Elend. »Er kam bald ... bald nachdem wir vom Schicksal der drei Brüder erfahren hatten ... die Brüder einer Geburt ...

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