Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
eine Wendeltreppe zuerst wieder ins Innere der Klippe, dann erneut seewärts. Im unteren Stockwerk blickten sie ebenfalls zunächst in sämtliche Wohnräume. Auch hier waren alle Riesen tot. Überall war es das gleiche. Die Entwurzelten hatten sich in ihre privaten Räume zurückgezogen, um zu sterben.
Da befiel ein Drängen die Bluthüter und den Lord. Sie fingen zu hasten an. Der Lord sprang die hohen Stufen hinab und rannte über den meerwärtigen Schutzwall, um in die Wohnungen zu schauen. In ihrer geschwärzten Kleidung wirkten die vier, als sie abwärts stürmten, wie Raben der Mitternacht, die eifrig die Geschichte des Blutvergießens und Schädelberstens auswendig lernen wollten. Als sie bereits in die untere Hälfte der Stadt des Heimwehs vorgedrungen waren, hielt Korik sie plötzlich an. Ihm war in der Luft der Stadt eine Veränderung aufgefallen. Aber sie war sehr feiner Natur; anfangs konnte er den Unterschied nicht feststellen. Dann stürzte er in die nächste Behausung, eilte zu dem einzelnen toten Riesen, der in einem der hinteren Zimmer lag, und berührte die Blutlache. Hier waren die Riesen erst vor kürzerer Zeit erschlagen worden; ein paar Stellen der Lache waren noch feucht. Vielleicht befand der Schlächter sich noch in der Stadt, beschlich soeben seine letzten Opfer.
»Wir müssen so schnell wie möglich hinab in die untersten Stockwerke«, sagte Lord Hyrim sofort mit gedämpfter Stimme. »Sollten noch Riesen leben, dann gewiß dort.«
Korik nickte. Tull lief in weiten Sätzen als Späher voraus, als die anderen zur Treppe und hinunter eilten. In jedem Stockwerk opferten sie gerade soviel Zeit, um mindestens einen toten Riesen ausfindig zu machen und den Zustand des vergossenen Bluts zu prüfen. Danach liefen sie jedesmal sofort weiter hinab. Und jedesmal fanden sie feuchteres Blut. Zwei Stockwerke über den Hafendämmen entdeckten sie ein Kind, dessen Leichnam noch die Spur von Körperwärme enthielt. Das nächsttiefere Stockwerk erkundeten sie vorsichtiger. Und in einem Zimmer sahen sie eine tote Riesin, der noch Blut vom gespaltenen Schädel troff. Die letzten Stufen der Treppe schlichen sie mit großer Umsicht hinab. Die Treppe mündete auf eine weiträumige Felstafel, dem Ausgangspunkt der zwei Hafendämme und der dazwischen befindlichen Anlegestelle. Die Brandung war flach und ruhig – die Wogen brachen weit vorm Anlegeplatz –, aber ihr Geräusch erfüllte weithin die Luft.
Auch von hier aus konnten die Bluthüter und der Lord nicht über die Klippenrundung nördlich der Dämme hinausblicken. Diese Biegung und die Auswärtswölbung der Südecke von Coercri bildeten um den Anlegeplatz eine flache Bucht. Der kahle Sockel der Stadt lag im nachmittäglichen Schatten der Klippe, und der ausgekühlte Stein war naß von Gischt. Nichts tat sich auf den Hafendämmen, und ebensowenig auf dem Gehweg, der vom Südende der Stadt um die Rundung der Klippe bis zur Nordseite verlief. Hinter dem Gehweg und dem Endfelsen der Dämme waren zahlreiche Hohlräume in den Sockel der Klippe geschlagen worden. Alle waren mit schweren steinernen Pforten versehen, um sie im Falle von Sturmfluten wasserfrei zu halten. Gegenwärtig war die Mehrzahl dieser Pforten offen. Die hohen Gewölbe dahinter enthielten Werkstätten, in denen die Riesen die Planken und Taue ihrer Schiffe herzustellen pflegten. Wie die Versammlungssäle und Küchen waren auch diese Räumlichkeiten leer. Aber im Gegensatz zu den Weingärten und Feldern im Westen hatte man die Werkstätten nicht urplötzlich verlassen. Sämtliche Werkzeuge hingen an den Wänden in ihren Gestellen und Halterungen; Arbeitsstücke waren von den Tischen und Werkbänken abgeräumt worden; selbst die Fußböden waren sauber. Die hier tätig gewesenen Riesen hatten sich die Zeit genommen, um ihre Werkstätten in Ordnung zu bringen, bevor sie heim und in den Tod gingen. Eine kleinere Pforte nah am Südende der Felstafel war jedoch fest verschlossen. Lord Hyrim versuchte sie zu öffnen, aber es war kein Griff vorhanden, und er fand am glatten Stein keinen Halt. Korik und Tull behoben das Problem gemeinsam. Sie zwängten ihre Finger in den Spalt und wuchteten an der Steinplatte herum. Mit einem Scharren, das wie ein Röcheln der Qual klang, schwang die Pforte auswärts, so daß dämmrige Helligkeit in die jenseitige Felskammer fiel. Dieser einzelne Raum war kahl; er enthielt nichts als ein niedriges Bett an einer Seitenwand. Er hatte keine Beleuchtung, und die Luft
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